Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
Vom Netzwerk:
dicken Mantel kaufen und eine Thermohose und gefütterte Stiefel und...“
    Er sah die Umrisse des afrikanischen Kontinents vor sich. Die Äquatorlinie. Einzelne Länder. Senegal, Ghana...Accra. Das ließ ihm keine Ruhe. Es war dunkel draußen, alles schlief noch, nur er konnte nicht mehr schlafen. Er sah die Wörter vor sich, das letzte das Zielwort. Täterätätä. War doch Karneval. Das Gegenteil von German Angst, wie könnte man es nennen? German Gemütlichkeit? German Ekstase? Verkleidete Menschen, die tanzten und soffen und lachten und schunkelten. Sich schlimme Dinge trauten, fremde Menschen küssen, zum Beispiel. Durch die Straßen tanzen. Jersey. St. Helier. Hellas. Griechenland, Akropolis, Ouzo. Und Accra?
    Nein, er konnte nicht mehr schlafen, aber er war auch noch nicht richtig wach. Aufstehen, das Frühstück zubereiten. Irmi hatte ihm verboten, allein das Haus zu verlassen. Er hätte sonst Brötchen kaufen können. Irmi hatte Recht. Zu gefährlich. Er durfte nicht in Abschiebehaft, wegen Mirjam.
    Schön. Sie atmete ein, sie atmete aus, sie hüllte das Wort in ihren Atem und schickte es als eine Wolke in die Welt, sie gab ihr ein Adjektiv, schmückte sie damit. Schöne Welt. Dunkle Welt. Die langsam Töne bekam. Erste Passanten tappten unten auf der Straße, Automotoren wurden gestartet, ganz entfernt säuselte Radiomusik. Vorsichtig richtete er sich auf, sah zu Mirjam, deren Mund etwas geöffnet war, um den Atem hinaus zu lassen, den Atem, der das Wort in die Welt hauchte. Schön.
    Auch Irmi hatte nicht schlafen können. Sie drückte Mohamad einen Kuss auf die Wange und die Klinke der Badezimmertür in die Hand, sagte: „Ich mach dann mal Frühstück, schläft Mirjam noch?“ Mohamad nickte. „Konnte einfach nicht schlafen heute Nacht. Immer an alles gedacht, du weißt schon. Du auch?“ Mohamad nickte wieder. Ja. An alles gedacht. Schön. Er ging ins Bad, machte sich frisch. Als er fertig war, saß Mirjam schon am Frühstückstisch, in einem Bademantel von Irmi, lächelte ihn an und wieder dachte Mohamad: Schön. Es roch nach Kaffee. Noch schöner.
    „Heute kaufen wir also Klamotten“, entschied Irmi kauend in gutem Lehrerinnenfranzösisch. Mirjam wollte protestieren, keine Chance, ein Blick der älteren Dame genügte. „Die Farben sind wichtig“, sagte sie weiter, „muss alles passen, auch wenn es gar nicht passt. Zweckmäßig und farblich perfekt.“ Farben. Mohamad dachte an Farben, an die Farben von Wörtern. Welche Farbe hatte Ouzo? Keine richtige Farbe jetzt, eher... er suchte nach dem passenden Ausdruck. Aura. Genau. Welche Aura. Ouzo war ein Schnaps, den man zur Verdauung trank, das jedenfalls hatte er einmal gehört. Also Erleichterung. Ein markanter Geschmack, der für Erleichterung sorgt. Akropolis. Geschichte in heißer flirrender Luft. Agrar. Bräunlich robuste Bodenständigkeit. Rarität. – Dazu fiel ihm nichts ein, überspringen. Täterätätä: Sinnenfroher Mief. Er dachte gerade Unsinn. Oder?
     
     
    300
    „300.“ 300 was? Ich schaute hinüber zu Hermine, ihre Brüste lagen in einem Nest aus Daunenfedern und Seersucker-Bettwäsche, sie legte gerade das hübsche rote Büchlein und den Stift zurück auf den Nachttisch. „Ja, 300 halt. Seit wir uns kennen, notiere ich jeden Beischlaf mit dir – und das Ergebnis. Heute also Beischlaf Nummer 300 und Orgasmus Nummer 279.“ 21 Nieten? Ich wollte schon protestieren, doch Hermine nahm das Büchlein vom Nachttisch und warf es mir in den erschöpften Schoß. „Guck doch selber nach. Und gräm dich nicht so. Sind über 90%, damit wirst jederzeit SPD-Vorsitzender.“
    Fragte sich nur, für wie lange. „Mord(s)kalender 2011 – Jeder Schuss ein Treffer“ stand in goldenen Buchstaben auf dem hübschen und griffigen roten Leinen, ein Lesebändchen lugte frech und franslig zwischen den Blättern heraus. „Den für 2012 hab ich mir schon vorbestellt. Conte Verlag, wo sonst, 15 Euro. Wenn du willst, bestelle ich dir auch ein Exemplar.“ Und was sollte ich dort eintragen? Ich nickte jedenfalls, das Ding war auch wirklich wunderschön, so etwas möchte ich in einem anderen Leben auch mal machen.
    Wie spät war es? Kurz nach drei. Aus dem Kinderzimmer, wo Jonas es nun gleich mit zwei Frauen zu tun hatte (und hoffentlich nicht Buch führte), drangen die künstlichen Laute eines Computerspiels, Strippoker oder was auch immer. Ich war aufgekratzt, Hermine gähnte. Sie löschte das Licht und kuschelte sich in meine Arme, ihr Atem wurde

Weitere Kostenlose Bücher