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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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verlassen und stand keine zehn Meter von Vika entfernt. Komm näher und ich hau dich um, versprach Vika insgeheim. Sie war sauer, immer noch Funkstille. Wie lange ging das noch weiter? Kalt war ihr nicht, im Gegenteil. Als streichelten warme Hände vorsichtig über die Haut, nicht unangenehm, Stimulation des Kurzzeitgedächtnisses, Mareike, die Biegsame, Gummiknochen unter einem Gerüst aus festen Muskeln, garantiert fettfrei. Zurück ins Glied, getanzt.
    Maskenmensch hinter ihr. Sie sah ihn nicht, spürte ihn. Hörte ihn ganz nahe am rechten Ohr: „Let's go, sweetheart.“ Dann ein Pieks. Wie beim Arzt. Vika riss die Augen auf und kam aus dem Takt. Sie wollte sich umdrehen, der Stich in den Rücken, es tat nicht weh, sie wollte... sie konnte es nicht. Taumelte, jemand ergriff sie, die Musik hallte wie in einer großen Blechkanne, deren Wände aufeinander zu geschoben wurden, eine albtraumhafte Erzählung von Poe, nein, da war es ein schwingendes Beil, das immer näher kommt.
    Dann war die Musik aus. Stille. Nein, keine Stille. Das Pochen des eigenen Blutes. Eine Uhr, die ablief und stehen bleiben würde. Merkwürdigerweise funktionierte das Bewusstsein tadellos, verlor sich nicht in Träumereien. Wo bin ich?, dachte Vika. Oder, bessere Frage: WAS bin ich? Tot oder lebendig? Warten auf den langen gleißenden Tunnel aus vielfach verstärktem Sonnenlicht, das den Augen dennoch nicht wehtut. Nahtoderfahrungen, darüber hatte sie gelesen, dort gab es solche Tunnels, Korridore zwischen dem Leben vor dem Tod und danach.
    Ja, etwas Weißes. Aber von den Rändern drang Schwarz zum Zentrum hin, düstere Wolkenfelder von allen Seiten. Also in die Hölle mit dir, Vika. Dein Leben läuft noch einmal vor dir ab, extremer Zeitraffer, ein Leben voller Sünden, gestohlene Äpfel, zu vielen Menschen ein Leid zugefügt, beabsichtigt oder nicht, das spielte wohl keine Rolle, zu oft auf die Stimme der Triebe gehört, kaum auf die der Vernunft, niemals auf die der Moral. Feuer. Noch siehst du es nicht, du spürst es. Hitze. Jetzt ist alles dunkel, das Schwarz wird erglühen, die finale Herdplatte, liebe Vika, und der Schlund wird sich öffnen, das Gelbrot züngelnder Flammen, und du wirst hineinstürzen. Wehre dich nicht. Warum wehrst du dich? Warum öffnest du deinen Mund und versuchst zu schreien? Weil es wohl alle hier tun? Und alle vergebens.
    Jetzt war es passiert. Tumultartiges Gelb, als wäre die Sonne explodiert. Der Körper wird zusammengezogen, er bewegt sich in großer Geschwindigkeit abwärts, er fällt, er dreht sich um die eigene Achse, ein Satellit außer Kontrolle, ein Leib, der auseinandergerissen wird, der verglühen wird. Sind die Augen eigentlich geöffnet oder geschlossen? Als ob das noch eine Rolle spielen würde. Doch, es spielt eine. Denn eine Gestalt, eine menschliche Gestalt schiebt sich ins Blickfeld, ein Kopf, ein Oberkörper. Mann? Frau? Beides. Was ja logisch ist. Gott ist weder Mann noch Frau, Satan tut es ihm nach, er ist beides, er ist weder das eine noch das andere. Er grinst böse. Sein Mund ist männlich, um ihn herum sprießen Bartstoppeln. Seine Lippen sind weiblich, zart rot angemalt, Rouge auf den Wangen, die Wimpern schwarz verschmiert. Der Teufel trägt eine Mütze. Eine Zipfelmütze ohne Bommel. Und da fällt ihr der Name ein: phrygische Mütze. Marianne, die Französische Revolution, Guillotinen, fallende Köpfe.
    Und der Teufel beginnt zu sprechen. Mit weiblicher, mit männlicher Stimme: „Naaaa? Alles gut überstanden? Willkommen, schöne Frau.“
     
     
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    Schön, dachte Mohamad. Einen Moment lang waren das Wort in seinem Kopf und die Welt drumherum eins, steckte die Welt in diesem Wort, fünf Buchstaben groß, einen Atemzug lang, Mirjam schlafend, einen Augenblick lang, Mirjams Gesicht halb hinter der Wildnis ihrer Haare. Schön.
    Gestern Abend hatte Mohamad zum ersten Male verstanden, warum Menschen Filme mit Happy End liebten. Vielleicht, weil er sich selbst in einem Film wähnte, einer Hollywood-Produktion, die ihn nicht ohne Hoffnung auf die Straße hinaus entlassen würde. Eine Aufenthaltserlaubnis, eine Arbeit, Mirjam. Sie hatten auf dem Heimweg Irmi in die Mitte genommen und untergehakt – hatte er eben das Wort „Heimweg“ gedacht? Ja, hatte er. Mirjam zitterte, ihre Zähne schlugen aufeinander, sie würde sich an die Kälte Mitteleuropas gewöhnen, er würde ihr einen dicken Mantel kaufen. Als er das dachte, sagte Irmi schon: „Wir werden dir gleich morgen früh einen

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