Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
Vom Netzwerk:
nächsten Moment damit, alles beim Alten zu belassen. Dann fügte er beide Gedanken zusammen. So tun, als belasse man alles beim Alten, in Wirklichkeit aber sich verabschieden. Ein Maulwurf, ein verdeckter Ermittler. Das war Abenteuer.
    Und warum das alles? Diese Frau, die er kennen gelernt hatte. Sonja. Kaum mit ihr gesprochen, aber ihre Blicke. Das war sie. Ihr Gesicht ging ihm nicht mehr aus dem Sinn, es lag über der nächtlichen Stadt wie eine riesige Projektion. Er wollte ihre Stimme hören, jetzt gleich. Anrufen. Keine gute Idee. Sie hörten bestimmt das Telefon ab. Sie hatten bestimmt auch Mikros in seiner Wohnung installiert. Sie wussten alles. Er musste vorsichtig sein.
    Eine Mail schicken? Ha, ha, ha. Wenn sie schon Bundestrojaner verschickten, dann garantiert zuerst an IHN, den unsicher gewordenen Kantonisten. Wie machte man das eigentlich früher? Auf Papier und mit Briefmarken, daran erinnerte er sich vage. Brauchte aber lange und war nicht ganz so wie Chatten.
    Er dachte daran, sich dem Geheimdienst als Doppelagent anzubieten, um Sonja nahe zu sein. Wäre natürlich gefährlich, könnte zu Missverständnissen führen. Man müsste etwas in der Hand haben. Unterlagen. Dazu müsste man wissen, welches Ministerium mit der Sache betraut war. Innen? Justiz? Gar das Kanzleramt selbst? Egal erst einmal. Im Augenblick konnte man nichts Konkretes entscheiden. Er drehte sich um, ging zum Sofa, setzte sich und schaltete den Fernseher ein. Die übliche Talkshow im Ersten, der übliche Erotikkrimi im Zweiten, Nachrichten bei ntv, am unteren Bildrand wie immer das Endlosband mit den Börsennotierungen des Tages, heute alles im Plus. Kriesling-Schönefärb ertappte sich dabei, sein Aktien-Portfolio im Geiste durchzugehen und den Gewinn auszurechnen, den er gerade gemacht hatte. Sich zu überlegen, was man abstoßen, was man neu hinzunehmen sollte. Aber genau so gings immer los. Gier. Er würde alles verkaufen. Bargeld. Unter die Matratze damit. Nein, total dumm. Flucht in Sachwerte. Ein Häuschen im Grünen mit Garten, sich vorstellen, dort mit Sonja... er nickte ein, der Fernseher lief weiter.
     
     
    318
    Nach dem Verzehr seiner fettigen Mahlzeit erwies sich Atze / Ouzo als ein selbst von erfahreneren Investigatoren und Verhörspezialisten kaum noch auszuquetschender Mann. Er gähnte, rauchte, trank, wechselte die Reihenfolge, rauchte, trank, gähnte, brachte das Gespräch zurück zum Anfang, Babette und die guten alten Zeiten, seine Hoffnungen und Enttäuschungen, vertraute mir – „Aber is alles Schnee von gestern, Alter!“ – an, mich gehasst zu haben, weil nicht er, sondern ich mit Babette...und so weiter, die bekannte Leier. Günther Rath? Ja, wie man Nachbarn eben so kennt. Der Typ von der Bäckertheke im Hauptbahnhof, keine drei Worte gewechselt, das meiste vom Hörensagen. Auf seine Art sei Rath eine kleine Berühmtheit gewesen, C-Prominenz gewissermaßen. „Den haben doch alle für bescheuert gehalten.“
    Auch der Versuch, ihn auf die neuesten weltpolitischen Ereignisse anzusprechen, scheiterte kläglich. „Interessiert mich doch nicht, was da auf Island läuft! Und der Euro? Geh mir bloß weg! Ich will eh die DM wieder! Und diese Griechen, also nee! Eurobonds? Ha, ha, damit der brave Sparer... Arschgeigen, nix als Arschgeigen, wohin du guckst...“ Hier sprach der Finanzbeamte und das wollte ich mir nicht länger antun. Verabschiedete mich artig, dankte für die Tipps im Umgang mit dem unbotmäßigen Sohn meiner Freundin, „ja, genau, der soll sich erst mal einen Anker auf den Oberarm tätowieren lassen, ich schick dir den Knaben dann mal vorbei“ und zog von dannen. Hatte sich der Besuch gelohnt? Ja und nein. Ouzo und Akropolis, weiter nichts. Verkomplizierte alles nur noch.
    Das Haus, in dem Günther Rath gewohnt hatte, war eine der in dieser Gegend weit verbreiteten Mietskasernen aus den fünfziger Jahren, ein Relikt des sogenannten sozialen Wohnungsbaus. Wie so vieles waren sie längst privatisiert worden, frisch gestrichen und mit jeweils einem kleinen Baum vor der Front ausgestattet, damit man die Miete hatte verdoppeln können. Die Wohnung Raths lag im 4. Stock und ich überlegte, wie es mir gelingen würde, sie zu betreten, ahnte indes schon, es sei unmöglich, selbst wenn mir der Zufall in Gestalt einer netten Nachbarin zu Hilfe käme. Es sei denn, sie hätte einen Schlüssel für die Wohnung. Aber was erhoffte ich dort zu finden?
    Nichts. Eine tiefe Depression sprang mich an, ohne

Weitere Kostenlose Bücher