Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Vereinbarungen halten.“ „Ich halte mich dran!“ Lag etwa eine Spur Panik in Sandras Stimme?
„Du schon.“ Mareike beruhigte. „Aber... Honey zum Beispiel. Rastet langsam aus. Ich denk mal, der hat keine große Zukunft mehr. Oder der deinige. Schnüffel. Wärst eigentlich traurig, wenn dem was passieren würde?“ Schweigeminute. „Nein“, die unbarmherzige Antwort der Ehefrau. „War ein schwerer Fehler damals, aber der Kerl hat mich erwischt, als es mir dreckig ging, saudreckig.“ „Is schon okay. Wir machen alle Fehler.“ Wieder dieses Timbre in Mareikes Schlafzimmerstimme. Willst die wohl auch ins Bett kriegen, was? Aber scheint eine überzeugte Hete zu sein. Ätsch, geschieht dir recht.
„Wo ist Honey eigentlich?“ „Einkaufen“, informierte Mareike, „und dann geht er noch mal in den Bunker. Nachgucken ob. Gefällt mir nicht. Ich glaub, der hat Mitleid mit seiner Alten. Ich glaub, wir fahren da auch noch mal hin, damit er keine Dummheiten macht.“ „Gut“, stimmte Sandra zu. „Hoffentlich kommt da nicht irgendwer hin, der dort nichts zu suchen hat.“ „Nein“, sagte Mareike, „den Bunker kennt heute kaum noch jemand und den Eingang schon gar nicht. Wer käme drauf, dass der direkt neben dem Friedhof ist.“ Aha. Merken. Neben dem Friedhof. Vikas Nase kitzelte.
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Hermine dehnte sich, reckte und streckte sich. Sie hatte sich schnell an ihren neuen Job gewöhnt, ihr Körper würde noch seine Zeit brauchen, es war eine Umstellung von der stillsitzenden Kassenwartin zur quirligen Kellnerin. Außerdem: Hier lohnte sich das Freundlichsein in Euro und Cent, Trinkgeld nannte sich die nicht hoch genug zu preisende Erfindung. Hoppla, knackten da etwa die ersten Gelenke? Hermine seufzte. Auch Sexgöttinnen wurden alt.
Mohamad und Mirjam standen schon in der Küche. Der Rentnerstammtisch hatte, überraschenderweise, einen „afrikanischen Abend“ gefordert, typische Speisen des Schwarzen Kontinents, man werde auch das Seniorenheim und die Jungs der Skatrunde in der Altenbegegnungsstätte „Der Tod kann warten“ aktivieren. Also drehten Mohamad und Mirjam Fleischbällchen und kochten Hirsebrei, rollten Fladenbrot flach, erschraken jedes Mal, wenn jemand in die Küche kam, atmeten auf, dass es nicht die Polizei war.
Sondern, zum Beispiel, nur die drei mächtigen Künstlerinnen, angelockt von den fremden Düften, den winzigen Borsig wie ein Maskottchen im Schlepptau. Harsche Zurechtweisungen von Helga und Monika: „Jetzt aber mal alle sofort aus der Küche und Finger weg! Hinsetzen, was trinken, abwarten.“ Die mächtigen Damen kuschten, man glaubte es kaum, selbst Borsig blieb das Meckern im Halse stecken.
Im Schankraum hockte schon die Arbeitsgruppe Kriminalliteratur der Volkshochschule, heute besonders aufgeregt. Es gab Klassenarbeiten zurück, Thema „99 Dinge, die man über Krimis wissen sollte“. Wer nicht wenigstens 50 hatte nennen können, musste mit „mangelhaft“ rechnen, aber daran glaubte hier niemand.
Oxana, Sonja, Marxer. Sie bestellten ihre Getränke, „Moritz noch nicht da?“ fragte die Kasachin überflüssigerweise Hermine. Die blickte sich demonstrativ um. „Nö, oder siehst DU ihn? Wird aber noch kommen, glaub mir. Eine Szene mit lauter schönen Frauen ohne Moritz, das geht schon mal gar nicht, das ist ganz schlechter Krimi.“ Die Mitglieder der Arbeitsgruppe merkten auf. Was das etwa das 100. Ding, das man über Krimis wissen musste? Ein Krimi ist ein Krimi, wenn Moritz Klein darin mitspielt. Bio-Jürgen, der Gruppenstreber und eben erst in Monika Geiers famosem Roman „Müllers Morde“ am Rande erwähnt, notierte es sich vorsorglich.
„Leck mich am Arsch“, sagte Dichter Marxer in der ihm geläufigen Sprache des Asphaltliteraten und sah vom Display seines Smartphones auf. „In den Nachrichten sagen sie, die USA plane eine militärische Invasion auf Island, die Franzosen und Engländer natürlich wieder einmal ganz vorne mit dabei.“ Wahrung der nationalen Interessen von Wirtschaft und Banken. Nicht anders zu erwarten. Würde Island seine Schulden nicht mehr bedienen, würden es auch die Italiener nicht mehr tun. Dominoeffekt, Zusammenbruch des Finanzsystems, Schuldenschnitt. Das musste verhindert werden. „Hm“, machte Oxana, „das ist doch alles ein abgekartetes Spiel. Die legen es doch drauf an. Immerhin stärken sie damit die Rüstungsindustrie.“
Schön warm war es in der „Bauernschenke": Wo nur die Rentner blieben? Ihre Antipoden
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