Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Frau, die nicht die Wahrheit sagte, sich nicht durchschauen ließ. Aber Marxer? Das überraschte mich jetzt doch ein wenig. Gut, vielleicht hatte sich Nullos Fiscalis geirrt, meinte gar nicht Marxer, sondern, was weiß ich, einen Merker oder Murkser. Und warum sollte sich der Krimiautor mit seinem richtigen Namen bei dem griechischen Großhändler melden? Fühlte er sich so sicher?
Ich gebe zu, dass ich für geraume Zeit die Orientierung verlor. Nun, das war nichts Besonderes, wie ich leider auch zugeben muss. Aber das machte die Sache nicht angenehmer. Ich beschloss, vorerst nichts zu unternehmen, Marxer jedoch unter verschärfte Beobachtung zu stellen. Den Gedanken, Oxana zu informieren, verwarf ich. Konnte ja sein, dass ich mich furchtbar täuschte.
Irgendwann gegen drei erschien Annamarie Kainfeld doch noch im Büro. Sie machte einen aufgeräumten Eindruck, was man von meinem Schreibtisch schon lange nicht mehr behaupten konnte. „War was?“ fragte sie routiniert und reagierte auf mein Kopfschütteln mit einem Kopfnicken. Zu gern hätte ich ihr die Frage zurückgegeben. Wenn Marxer tatsächlich... dann war meine Sekretärin, seine Geliebte vielleicht auch zugleich seine Komplizin? Was wusste ich schon über Annamarie Kainfeld? Dass sie mir zugewiesen worden und die Tochter von Lydia Gebhardt war, eine fähige Sekretärin, gewiss – aber gehörte all das vielleicht zu einem teuflischen Plan, als dessen Drahtzieher dieser unsägliche Krimiautor agierte?
Ich versuchte so zu tun, als langweile ich mich, meine leichteste Übung nebenbei, weil ich meistens nicht einmal so zu tun brauche. Die Kainfeld verfügte sich zum Kaffeekochen in die Küche und ich fragte mich zum wiederholten Mal, ob man einem Menschen, der gerade vom Geschlechtsverkehr kommt, das nicht irgendwie ansehen muss. Muss man eigentlich – aber ich hatte nicht das Talent für so etwas. Seufzend wandte ich mich wieder meiner Arbeit zu und spielte Schiffeversenken auf dem Computer.
So vergingen die länglichen Minuten und Stunden. Was würde mich heute Abend in der „Bauernschenke“ erwarten? Ein seltsames Zusammentreffen mit seltsamen Personen, das gewiss. Wieder ein Schachzug des diabolischen Marxer? War etwa er jenes furchtbare Gehirn, dessen krankhaften Wucherungen wir alle hier unsere Existenz verdankten? Spielten wir etwa in einem METAKRIMI mit? Mir wurde heiß und kalt. Draußen saß Annamarie Kainfeld vor ihrem Computer und summte ein fröhliches Lied. Sie tat mir leid. Sie wusste nicht, dass auch sie nur eine schnöde Erfindung war, ein allein zum Zwecke des sexuellen Wohlbefindens des Herrn Marxer von dessen empirischem Alter Ego geschaffen... Moment mal, was für einen Mist gab ich da von mir? Warum dachte ich plötzlich so geschwollen? Weil ich selbst ja willenlos war, weil ich so denken MUSSTE! Ich stand auf und ging auf und ab. Es gab keine Hoffnung. Der machte mit einem was er wollte. „Ruhe!“ brüllte ich, das Lied draußen verstummte und Annamarie Kainfeld machte affektiert „Huch!“. Dann sagte sie gelassen: „Sie sollten wir mal ordentlich vögeln, Chef, ich glaube Ihre Hormone spielen gerade verrückt.“ Wie recht sie doch hatte!
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Krankenbesuch. Schmeichel musste an sich halten, um nicht laut los zu lachen! Ein Häufchen Elend, dieser Rüchel! Lag schwitzend in seinem Hotelbett und stöhnte! Kräftig bedauern, das half immer, das machte den Burschen noch kränker. „Kann ich irgendetwas für Sie tun?“ Den barmherzigen Samariter spielen, jo! Ihm ein paar Schmerztabletten da lassen. „Das ist eine normale Reaktion des Körpers, er schwitzt die Krankheit aus sich heraus.“ Könnte sogar stimmen, keine Ahnung. Rüchel jedenfalls nickte matt und sagte: „Danke, Sie sind wirklich ein sehr fürsorglicher Mensch. Sie geben mir den Glauben an meine Spezies zurück.“ Hm, so redeten Killer.
Er schaute nach dem Verband, erklärte ihn für den Vorschriften entsprechend, empfahl strengste Bettruhe und verabschiedete sich. Ob er ihm eine Frauenzeitschrift hätte mitbringen sollen? Machte man doch bei Krankenbesuchen. Das nächste Mal vielleicht. Jetzt rief der Job. Er begab sich zur Villa des Kriminalautors und bezog Posten. Jetzt bloß keine Gefühlsduseleien. Die beiden Transvestiten mussten endlich eliminiert werden, kein Kunstmord für die Kritiker, sondern ein schnöder, schmutziger Mord fürs sensationsgeile Volk. Wegpusten, paff, paff.
Sie kamen in einem Rudel aus der Villa. Die beiden als Frauen
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