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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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gehen. Wenigstens wusch ich ihm das Gesicht. Oxana, die meine Erweckung mit einem „Oha! Endlich! Hast du Hunger?“ kommentiert hatte, wartete, immer noch auf der Bettkante sitzend, und sah mich neugierig an. „Hast du irgendeinen Wunsch?“ fragte sie schließlich und sah sofort an meinem Blick, dass ein Mann, der monatelang im Bett gelegen und sich nicht gerührt hatte, nur einen Wunsch haben konnte. Sie seufzte. „Okay, ich schick dir gleich Hermine vorbei. Aber keine Ahnung, ob die Ärzte das auch so locker sehen.“
    Ich fühlte mich sehr müde. „Was ist eigentlich passiert?“ krächzte ich. Oxana seufzte abermals und erzählte mir die Geschichte. „Und der Killer?“ fragte ich. Oxana seufzte ein drittes Mal, was mir langsam auf die Nerven ging, aber ich hielt mich zurück. „Abgehauen“, antwortete sie. „Als du mit dem Hinterkopf gegen die Tischkante geknallt bist, war alles in heller Aufregung und die hat der Typ genutzt. Hat sich aufgerappelt und ist raus. Mit dem Auto weggefahren. Den Wagen hat man am nächsten Tag am Fluss gefunden und den Killer mit durchgeschnittener Kehle auf dem Fahrersitz. Sehr mysteriös das alles. Sagt Gritli auch.“
    Gritli? Oxana – nein, sie seufzte diesmal nicht, sie zog nur die Luft sehr lautstark ein und ließ sie noch lautstärker wieder heraus – schüttelte den Kopf. „Ach so, du kennst Gritli ja noch gar nicht. Gritli ist Kriminalhauptkommissarin bei der Mordkommission. Eigentlich stammt sie aus der Schweiz. Sie hat eine ärztlich beglaubigte Allergie gegen löchrigen Käse und Nummernkonten, war früher Modell für Feinstrumpfhosen – elend lange Beine! – und hat dann die Beamtenlaufbahn eingeschlagen. Sie bearbeitet den Fall.“
    Die Nachricht von elend langen Beinen weckte in mir sogleich den Wunsch, Frau Gritli kennenzulernen. „Wirst du noch früh genug“, versprach Oxana, „ich nehme mal an, sie wird dich gleich vernehmen wollen. Seit Monaten schleicht sie um uns herum und versucht, unser Geheimnis rauszukriegen. So nennt sie das. UNSER GEHEIMNIS. Sie hat auch die Doppelgänger vernommen und war irgendwie misstrauisch. Die waren besser als die Originale, sagt sie.“
    Ach ja, diese Doppelgänger. „Was ist mit denen?“ Oxana seufzte, ich hatte aufgehört mitzuzählen zu wievielten Mal. „Das ist das Allerkomischste. Die wurden zur Polizei gebracht, aber plötzlich – sagt Gritli – kam Anweisung von oben, sie unverzüglich auf freien Fuß zu setzen. Sie wurden dann mit einem Luxusbus abgeholt und ihre Spur verliert sich. Eine Doppelgänger-Vereinigung gibt es übrigens nicht.“
    „Wie heißt diese Gritli eigentlich mit Nachnamen?“ wollte ich wissen. „Gritli Moser“, antwortete Oxana Knapp. In meinem Kopf begangen einige Synapsen mit dem, was sie Arbeit nannten. „Gritli Moser? Der Name kommt mir verdächtig bekannt vor. Jodelt sie zufällig?“ Oxana überlegte kurz. „Hm, nee, glaub nicht. Noch nicht einmal im Bett.“
    Das brachte meine Stimmung sofort auf den Tiefpunkt. „So? Du willst damit sagen, dass…“ „Zügle deine Phantasie“, schnitt mir Oxana das Wort ab. „Im Bett heißt: Sie hat mal bei uns übernachtet, weil draußen Unwetter war. Mehr nicht. Marxer ist natürlich voll in Gritli verliebt, aber in wen ist der nicht verliebt. Du weißt, dass er inzwischen ein Shooting Star des deutschen Fernsehens ist? Er ist jetzt völlig unerträglich geworden. Und in High Heels kann er immer noch nicht laufen.“
     
     
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    Fast sechs Monate hatte ich im Koma gelegen und obwohl man mir aus der Zeitung vorgelesen hatte, war die Welt da draußen eine andere geworden. Man züchtete kernlose Äpfel und war dabei, auch schalenlose Äpfel zu züchten, was zu einem Krieg mit der Obstmesserindustrie geführt hatte. Thomas Gottschalk hatte eine Vorabendshow in den Sand gesetzt, der Katholizismus war abgeschafft und durch Beachvolleyball ersetzt worden, Politiker sagten jetzt immer „Nur über meine Leiche“ und merkten nicht, dass sie bereits so komisch rochen. Auf Orgasmusvortäuschung stand jetzt zwei Jahre Knast und auf Betrug mit Derivaten zwei Jahre kostenloser Urlaub auf den Malediven. Das alles musste ich erst einmal verkraften.
    Endlich sah ich auch die Gesichter, die zu den hässlichen Stimmen gehörten, die mich gefüttert hatten. Sie verstärkten meinen Wunsch, diesen Ort schnellstmöglich zu verlassen. Als Hermine ins Zimmer trat, erkannte ich sie zunächst nicht. Sie sah unglaublich aus, noch unglaublicher als

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