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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Marktnische, kein Spartensender brachte Sendungen, die etwas mit Denken zu tun hatten. Denken war exotischer als Kannibalismus, unappetitlicher als die aufgespritzten Lippen der Charity-Ladies, die ihm diese Einladungen schickten, die er auch alle annahm, um mit Mollie Spring auf irgendwelchen roten Teppichen zu posen. Mollie Spring, die nach der dritten Silikonzufuhr fast nur noch aus Brüsten bestand. Daran dachte er, nein, korrigiere: Das ging ihm durch den Kopf.
    Dass Moritz Klein sozusagen wieder erwacht und auf freiem Fuß war, hatte ihn nur einen Moment lang beunruhigt. Dann hatte er die Chance gesehen, die sich aus diesem Umstand ergab. Er musste die Presse auf ihn hetzen, ihn dazu bringen, üble Verwünschungen und Todesdrohungen auszustoßen. Gut fürs Geschäft, damit kommt man in jedes Boulevardmagazin. Der Typ sollte ihm dankbar sein, schließlich hatte erst er, Marxer, seinem Leben einen Sinn gegeben. Aber wahrscheinlich besaß er einfach nicht die Klasse, das zu erkennen. Egal. Er würde gleich morgen seine Kontakte aktivieren, all die Klatschreporter des Boulevards, sie würden eine sensationelle Geschichte inszenieren, „Romanfigur bedroht Autor“ oder so etwas. Völlig neu, das würde für drei Tage Schlagzeilen reichen.
    Olya brachte ihm seinen Gute-Nacht-Kakao. Sie lächelte. Marxer seufzte. Das war einfach nicht Oxana-Niveau. Er hatte alles versucht, sie zu halten, aber die Sache mit Moritz Klein hatte ihr den Rest gegeben. Und dann natürlich Vika.
    Er legte die Beine auf den Schreibtisch. Gleich kam Maybrit Illner. Sie waren inzwischen per Du, Kollegen halt. Ob sie ihn wieder in ihre Show einladen würde? Ein schönes Thema hatte er schon. „Wenn die Fiktion die Wirklichkeit einholt. Von Romanfiguren und Eurokrisen.“
     
     
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    Die Villa war leer und still geworden. Nachdenklich durchmaß Marxer die Räume, erinnerte sich. An Sonja Weber und Kriesling-Schönefärb, die hier ihre Liebe entdeckt und praktiziert hatten, an Vika, die geheimnisvolle Detektivin und, natürlich, an Oxana, die Unerreichte. Er seufzte. Auch an die anderen dachte er, sogar an die alte Irmi. Was sie wohl gerade machte? Angespuckt hatte sie ihn, ihm den „Idiotendetektiv“ vor die Füße geworfen, „Verrat!“ geschrien und lauthals bedauert, dass keine Rote Armee Fraktion mehr existierte, die sich schmierige Kriminalschriftsteller vorknöpfte. Gute alte Irmi, er vermisste sie ehrlichen Herzens.
    Und auch Hermine. Für einen Augenblick fasste er den Plan, noch auf einen Absacker in der „Bauernschenke“ vorbeizuschauen, verwarf  ihn aber sogleich wieder. Die „Bauernschenke“ war, seit Hermine dort Geschäftsführerin war, ein elendes In-Lokal geworden, die Kneipe zum Buch gewissermaßen, woran er, Marxer, natürlich die Hauptschuld trug. Umso ungerechter war es von Hermine, ihm quasi Hausverbot erteilt zu haben. Aber auch damit konnte er leben. Frauen handeln bekanntermaßen unlogisch, deshalb bringen sie es auch zu nichts in der Welt. Traurig, aber wahr.
    Einen weiteren Moment spielte er mit dem Gedanken, Olya zu verführen. Sie wartete doch nur darauf und genau das schreckte ihn ab. Ein Mann will erobern, das sind alte Steinzeit-Traditionen. Nichts ist langweiliger als eine Burg zu erstürmen, deren Zugbrücke heruntergelassen wurde. Wenigstens den Trick mit dem Trojanischen Pferd musste man als Mann anwenden dürfen, um die Festung zu schleifen. Marxer seufzte und kehrte ins Arbeitszimmer zurück. Das achte Kapitel der „Idiotendetektiv"-Fortsetzung also. Den ersten Satz hatte er immerhin. „Als Moritz Groß aus dem Koma erwachte, wurde ihm klar, dass er sechs Monate lang von Currywurst geträumt hatte.“
    Er öffnete das Fenster, um die abgekühlte Luft in den Raum zu lassen. Ein wenig Frische, ein wenig Durchzug. Irgendwo klangen Schritte auf den Steinplatten – ob ihn zu dieser späten Stunde noch jemand besuchen wollte? Gar Moritz Klein, um sich zu rächen? Nein, dieses Kaliber besaß er nicht, da war sich Marxer sicher. Ein Einbrecher? Schon eher. Schließlich war Marxer der mit Abstand prominenteste Bewohner der Stadt, worauf er ziemlich stolz sein durfte. Er horchte weiter. Hm. Keine Schritte mehr.  Also wohl doch nur eine akustische Täuschung.
    Das Splittern des Glases indes war keine. Es war real, aber er nahm es zunächst gar nicht wahr. Erst als er Olyas Schreie vernahm, auf Russisch natürlich, dennoch eindeutig. Er sprang auf, die Geräusche des splitternden Glases waren aus der

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