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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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füllten. Wenigstens waren sie abgelenkt und beachteten mich nicht.
    Oxana empfing mich in lockerer Freizeitkleidung. Das war ein Minuspunkt ihrer  Marxer-Abnabelungsagenda, sie brauchte keine Rücksicht mehr auf optische Erotik zu nehmen. „Komm rein“, sagte sie, „ich mixe dir einen kasachischen Waldbeerencocktail, zwei Teile Johannisbeersaft und acht Teile Wodka. Das bringt dich wieder auf die Beine.“
    Es brachte mich zunächst einmal auf den klapprigen Plastikstuhl auf dem winzigen Balkon. Von hier aus hatte man freie Sicht auf die Wohnstätten des Prekariats, das gerade in einer Art ehrenamtlichen Tätigkeit damit beschäftigt war, das Vermögen von Großanlegern und Spekulanten zu retten. Für Gotteslohn halt, was allerdings voraussetzte, dass auch Gott sein Geld in spanischen Schrottimmobilien stecken hatte.
    „Vika schnüffelt gerade einem untreuen Ehemann nach. Irgendjemand muss ja das Geld verdienen.“ Oxana nämlich war arbeits- und erwerbslos, selbst ihre Kleidung hatte sie bei Marxer zurückgelassen. Sie wurde jetzt vom Hausherrn persönlich aufgetragen. „Er hat fünf Kilo abgenommen, damit er in den schwarzen Ledermini reinkommt, also Disziplin hat er schon, das muss man ihm lassen.“
    „Und kriminelle Energie“, ergänzte ich, „oder kommt dir das angebliche Attentat nicht auch merkwürdig vor?“ Oxana wiegte unschlüssig den Kopf. „Hm, nee, trau ich ihm nicht zu. Leute bescheißen und verarschen, das ja, das sind gewissermaßen anerkannte Kulturtechniken geworden. Heutzutage hat jeder ein Handy, den Führerschein und eine Strategie, andere reinzulegen. Aber Molis werfen? Nicht Marxers Format.“
    „Das würde also bedeuten… „…dass jemand Marxer nach dem Leben trachtet. Da du es nicht bist, jedenfalls nicht auf diese Weise, muss es jemand anderes sein. Die Frage: Warum. Nächste Frage: Warum nur Marxer? Nächste Frage: Vielleicht auch andere, wir, nur etwas später?“ Oxana schlussfolgerte schon wie eine Detektivin, was mich nicht wunderte. Ich schlussfolgerte wie Moritz Klein und brachte demzufolge nur ein „Tja, hm, äh“ über meine vom kasachischen Waldbeerencocktail taub gewordenen Lippen. Stimmte schon. Nicht dass es mir um Marxer leidgetan hätte, aber die Aussicht, selbst Ziel eines Attentates zu werden, gefiel mir gar nicht.
     
     
    572
    Es war an der Zeit, Marxer einen Besuch abzustatten. Vorher jedoch bedurfte es einiger kombinatorischer Überlegungen. Zum Glück hatte ich Oxana als meine Frau Doktor Watson, die emanzipierte Form des alten Holmes-Anhängsels, also eigentlich schlauer als Holmes selbst, wenn ich gerade Holmes war. Sie mixte uns neue kasachische Waldbeerencocktails und sagte dann „So“. Ich trank einen Schluck, schüttelte mich und sagte „Genau“.
    Wir kamen schnell darin überein, dass das Attentat entweder eines aus Rache verübtes oder eines zur Beseitigung eines unliebsamen und gefährlichen Zeugen begangenes sein musste. Grund sich zu rächen hatten alle, die im „Idiotendetektiv“ mitwirkten, Marxer natürlich ausgenommen. „Aber das traue ich keinem von uns zu. Ein paar aufs Maul, das selbstverständlich, da wäre ich auch sofort dabei. Aber Molotows?“ Ich stimmte ihr zu. Also die Zeugentheorie. Oxana nickte. „Das kann aber nur bedeuten, dass Marxer etwas weiß, was er nicht wissen sollte und diejenigen, die dadurch gefährdet werden, wissen, dass er es weiß.“ Jetzt nickte ich. „Hm, ja. Also etwas Öffentliches. Etwas, das in diesem Schundbuch steht. Etwas, das Marxers Phantasie entsprungen ist und zufällig deckungsgleich mit der Wirklichkeit.“ „Zu kompliziert“, befand Oxana, „aber wahrscheinlich hast du Recht. Wir müssen also das Buch lesen.“
    Das war die Höchststrafe. Oxana ging in die Wohnung und kam mit zwei Exemplaren des „Idiotendetektivs“ zurück, 300 Seiten miserabler Stil und hanebüchene Handlung, also Bestsellerqualitäten. „Ich die ersten 150 Seiten, du die letzten. Okay?“ Ich stöhnte hörbar auf und sagte „Was immer mich später in der Hölle erwartet, dies hier kann nicht schlimmer sein.“
    Marxers Methode war simpel. Er nahm ein paar Fakten, mischte sie mit seiner kruden Phantasie und verkaufte das Ergebnis als Krimi. Natürlich zielte er von Anfang an auf die Weltverschwörung, auf die geplante Abschaffung des Geldes, wobei er einen fiktiven Bösewicht namens „Doktor Nomoney“ erschuf, der die Fäden im Hintergrund zog und wirklich so abgrundtief böse war, dass er im Bundestag

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