Die Eheprobe
ich den Mut verliere, logge ich mich auf Facebook ein und schreibe Forscher 101 eine Nachricht.
Das Ganze ist zu weit gegangen. Es tut mir leid, aber ich muss die Studie abbrechen.
Sobald ich den Senden-Knopf gedrückt habe, durchflutet mich eine Welle wonniger Erleichterung, jener Erleichterung nicht unähnlich, die mich immer montags überkam, wenn ich Eier in meinem Weight-Watchers-Plan-Manager eingetragen hatte.
Am nächsten Tag beschlieÃe ich, den Stecker herauszuziehen. Ich habe Angst, die Antwort von Forscher 101 zu sehen (oder schlimmer noch, sein Schweigen), und ich will nicht den ganzen Tag lang mit dem zwanghaften Ãberprüfen meiner Facebook-Nachrichten verbringen, also schalte ich mein Handy und meinen Computer aus und verlasse mein Büro. Es fällt mir nicht leicht. Meine Finger tippen und wischen den ganzen Tag unkontrolliert vor sich hin, als wären sie mit dem Cursor auf einer unsichtbaren Seite unterwegs. Und auch wenn ich mein Handy nicht zur Verfügung habe, tue ich so, als wäre es eingeschaltet. Ich bin in einem Zustand extremer Wachsamkeit â in Warteposition, von einer Klingel einbestellt zu werden, die nicht klingeln wird.
Ich versuche, mich ernsthaft auf den Tag einzulassen. Ich laufe mit Caroline, Peter und ich backen Blaubeer-Muffins, ich gehe mit Zoe zu Goodwill, und obwohl mein Körper anwesend ist, ist mein Gehirn sonst wo unterwegs. Ich bin nicht besser als Helen. Auch ich behandle mein Leben so, als wäre es etwas, was man sich nutzbar macht und dann für den öffentlichen Konsum aufbereitet. Jedes Posting, jedes Einstellen einer Nachricht, jedes Gefällt mir , jedes Teilen , jedes Kommentieren ist eine Inszenierung. Aber was passiert mit der Darstellerin, wenn sie auf einer leeren Bühne spielt? Und wann wurde die wirkliche Welt so leergefegt? Wann nur hat jeder sie für das Internet aufgegeben?
Meine Digital-Diät dauert bis nach dem Abendessen, als ich es nicht länger aushalte. Als ich mich auf dem Facebook-Account von Lucy Pevensie anmelde, halte ich den Atem an.
John Yossarian hat dich zu einer Veranstaltung eingeladen:
Kaffee
Am 28. Juli um 19:00
Ort: Tea & Circumstances
Sie können noch nicht aussteigen. Es gibt da Dinge, die ich Ihnen sagen muss. Das geht aber nur persönlich.
Teilnehmen â Vielleicht Absagen
Wieder durchflutet mich eine Welle der Erleichterung, aber diesmal hat sie nichts Wonniges an sich. Diesmal ist es die Art von Erleichterung, die einen in die Verzweiflung treibt, süchtig macht, glauben lässt, dass man so eine Gelegenheit vielleicht nie wieder bekommt, und die Erleichterung haut mich um, als hätte ich sie mir wie ein Rauschgift gespritzt. Bevor ich mich selbst stoppen kann, Gott stehe mir bei, klicke ich auf Teilnehmen .
Kapitel 77
Auszug aus KREATIVES STÃCKESCHREIBEN
Ãbung: Schreiben Sie eine Szene über das Ende einer Beziehung, in der die Figuren nahezu nur Klischees von sich geben
»Ich komme jetzt sofort zu dir rüber«, sagt Nedra.
»Ich bin gerade mitten beim Haarefärben, das geht nicht.« Entsetzt blicke ich in den Spiegel. »Warte, ich stelle dich auf Lautsprecher.«
Ich lege das Telefon auf die Ablage und beginne damit, meine Stirn mit einem trockenen Waschlappen abzurubbeln. »Mein ganzes Gesicht ist voller Farbe, und sie geht nicht runter«, greine ich.
»Nimmst du Wasser und Seife?«
»Natürlich.« Ich pumpe drei Portionen flüssige Seife auf den Waschlappen und halte ihn unter den aufgedrehten Wasserhahn.
»Alice, du spinnst. Ich flehe dich an, triff dich nicht mit ihm.«
»Du verstehst das nicht.«
»Ach, wirklich? Also gut. Lass mal sehen â deine Bedürfnisse wurden nicht befriedigt. Gehtâs noch unorigineller, Alice?«
»Forscher 101 nimmt mich so, wie ich wirklich bin«, sage ich. Eine Frau in Unterwäsche mit Haarfärbemittel, das ihr die Schläfen hinunterrinnt. »Und er ist geheimnisvoll. Und mein Gefühl ist, wenn ich das jetzt nicht mache, bekomme ich vielleicht nie wieder eine zweite Chance.« Ich schmeiÃe den Waschlappen ins Waschbecken und blicke auf die Uhr. »Das war so nicht geplant.«
Nedra schweigt einen Moment. »Das sagen sie alle. Forscher 101 ist eine Erfindung, das weiÃt du doch, oder? Du hast ihn erfunden. Du glaubst, ihn zu kennen, aber das tust du nicht. Es ist eine einseitige Beziehung. Du hast ihm alles erzählt, deine ganzen
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