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Die Eheprobe

Die Eheprobe

Titel: Die Eheprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Gideon
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mir nichts mehr gewünscht, als dort zu sein. Sie müssen mir glauben.
    Ich hebe den Blick von meinem Handy und schaue mich um. Das Tea & Circumstances ist menschenleer. Ganz offensichtlich will nach acht Uhr niemand mehr Tee trinken. Immer wieder lese ich die letzten beiden Nachrichten. Obwohl er genau die richtigen Sachen sagt, habe ich mich noch nie einsamer gefühlt. Ist ihm wirklich etwas dazwischengekommen? Hat er überhaupt vorgehabt, mich tatsächlich hier zu treffen? Oder hat er seine Meinung in letzter Minute geändert? Hat er beschlossen, dass ich ihm aus der Ferne besser gefalle? Dass ein Treffen mit meinem echten Ich seine Fantasie zerstört? Und was ist mit meiner Fantasie? Dass es da draußen einen echten Mann gibt, der mich wahrnimmt. Einen Mann, der nicht aufhören kann, an mich zu denken. Einen Mann, durch den ich mich wie eine Frau fühle, die es wert ist, dass man von ihr besessen ist. Und was, wenn Forscher 101 in Wirklichkeit nur irgendein bescheuerter Scheißkerl ist, der darauf abfährt, bedauernswerte, einsame Frauen in den mittleren Jahren zu verarschen?
    Ich bin so todunglücklich, dass ich nicht lügen kann, und deshalb tippe ich: Auch ich habe mir nichts mehr gewünscht, als dass Sie hier wären.
    20:28 : Ich steige in mein Auto ein.
    20:29 : Ich fahre nach Hause.
    20:40 : Ich biege in die Einfahrt ein.
    20:41 : Ich schließe die Haustür auf.
    20:42 : »Alice?«, ruft William. »Wir haben auf dich gewartet. Komm, setz dich zu uns.«
    20:44 : Beim Klang seiner Stimme von Schuldgefühlen übermannt, zwinge ich mich zu lächeln und gehe den Flur entlang ins Wohnzimmer.

TEIL 3

Kapitel 80
    Â»Perfektes Timing«, sagt Bunny und lächelt mich an, als ich ins Zimmer komme, »Alice wird unseren Streit schlichten.«
    Bunny sitzt auf einem Stuhl und wirkt, als hätte sie die letzten hundert Jahre so dagesessen. Ihr verbundenes Bein ist auf einem Kissen hochgelegt, ihre Füße sind nackt, und ihre Zehennägel sind in einem fröhlichen Orange lackiert. Selbst verletzt ist sie ein wahres weibliches Aushängeschild dafür, wie man in Würde älter wird.
    Â»Bunny, das mit deinem Bein tut mir so leid«, sage ich.
    Â»Papperlapapp«, meint Bunny, »eigentlich sind wir schon dicke Freunde, nicht wahr, Jampo?«
    Jampo liegt zusammengerollt auf seinem Hundebett in der Wohnzimmerecke. Als er seinen Namen hört, hebt er den Kopf.
    Â»Böser Stinkehund«, schimpfe ich ihn aus.
    Er knurrt leise und legt dann seinen Kopf auf seinen überkreuzten Pfoten ab.
    Jack steht auf, schlaksig wie immer, mit seinen Sommersprossen und einem vollen rötlich-braunen Haarschopf. Er sieht aus wie eine getigerte Katze, Pfirsich mit Sahne, genau wie Caroline. Ich habe ihn nie so gut kennengelernt wie Bunny, obwohl er praktisch im Blue Hill Theater gewohnt hat, als ich mein Stück inszenierte (ihm gefiel es, sich selbst als Bunnys persönlichen Hansdampf in allen Gassen zu bezeichnen), aber er war immer sehr nett zu mir.
    Â»Nimm meinen Stuhl, Alice«, sagt er.
    Â»Hier ist noch jede Menge Platz«, sagt William und klopft neben sich auf das Sofakissen.
    Ich kann mich nicht überwinden, ihn direkt anzusehen. »Kein Problem, ich setze mich auf den Boden.«
    Jack runzelt die Stirn.
    Â»Wirklich, am liebsten sitze ich auf dem Boden.«
    Â»Es stimmt, dort gefällt es ihr am besten«, sagt William. »Oft sitzt sie sogar auf dem Boden, wenn es genügend Stühle gibt.«
    Â»Ich fand’s auf dem Boden auch gut«, sagt Jack, »bis es meinen Hüftgelenken dort nicht mehr gefiel.«
    Â»Hast du dein Aspirin heute schon genommen?«, fragt Bunny.
    Â»Aspirin hat nichts mit meinen Hüften zu tun.«
    Â»Das stimmt, aber mit dem Herzen schon, mein Geliebter«, entgegnet Bunny.
    Ich hatte vergessen, dass Bunny gerne mein Geliebter zu Jack sagte. Diesen Kosenamen fand ich schon immer total romantisch. Nachdem Die Bardame abgesetzt worden war, versuchte ich William nach meiner Rückkehr nach Boston auch mit mein Geliebter anzusprechen, aber es klang viel zu gekünstelt. Mein Geliebter war etwas, das man sich verdienen oder wofür man geboren sein musste. Ich blicke verstohlen zu William, der meinen Blick mit einem freundlichen Lächeln erwidert, und ich habe das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen.
    Â»Jack hatte vor ein paar Monaten ein paar Probleme mit seinem Herzen«,

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