Die Eheprobe
mein Computer ein U-Boot-artiges Geräusch von sich gibt. Auf meinem Bildschirm poppt eine Skype-Nachricht auf.
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Aus irgendeinem Grund finde ich diese Kundenwerbung anrührend und traurig. Gibt es einen einzigen Menschen auf der Welt, der nicht auf der Suche nach jemandem ist, der ihn aus ganzem Herzen lieben wird?
Es klopft kurz an meiner Tür, und William kommt in mein Büro. »Das ist echt super. Nedra hat mich gebeten, auf ihrer Hochzeit zu kochen.«
»Wie jetzt, kochen ?«
»Abendessen. Appetizer. Nachtisch. Das ganze Menü.«
»Du machst Witze!«
»Die Gruppe ist klein, nur ungefähr fünfundzwanzig Gäste. Ich habe Caroline gefragt, ob sie mir hilft.«
»Du willst das machen?«
»Ich glaube, das wird lustig. AuÃerdem bezahlt sie mich dafür. Ziemlich gut sogar, wenn ich das hinzufügen darf.«
»Du weiÃt, dass Nedra und ich nicht miteinander reden.«
»Das habe ich mir zusammengereimt. Worüber sprecht ihr nicht?«
»Ãber das Brautjungfernkleid, das ich ihrer Meinung nach tragen soll. Es ist abscheulich. Empire-Taille. Puffärmel. Ich werde darin wie Königin Victoria aussehen.«
»Alice, sie ist deine beste Freundin. Willst du wirklich ihre Hochzeit wegen eines Kleides sausen lassen?«
Ich runzele die Stirn. Natürlich hat er total recht.
»Ist alles in Ordnung, Alice?«
»Mir gehtâs gut. Warum?« Es ist so schwer, das hier durchzuhalten. Meine Verwirrtheit unaufhörlich zu verbergen.
»Du bist irgendwie ⦠komisch«, sagt er.
»Na ja, du auch.«
»Ja. Obwohl ich mich anstrenge, es nicht zu sein.«
Er sieht mich einen Augenblick zu lange an, und ich drehe mich weg. »Und, hast du schon über das Menü nachgedacht?«, bringe ich krächzend hervor.
»Alles auÃer Austern. Das ist die einzige Auflage. Nedra meint, das wäre zu platt. Genau wie Rosen und Champagner am Valentinstag.«
»Ich liebe Austern.«
»Das weià ich.«
»Ich hatte schon lange keine mehr.«
William schüttelt den Kopf. »Ich kapiere nicht, warum du darauf bestehst, dich von den Dingen fernzuhalten, die du liebst.«
Kapitel 84
Nachdem William weg ist, gehe ich ins Schlafzimmer und mache die Tür zu. Ich stelle die Handy-Stoppuhr auf fünfzehn Minuten. Dann tauche ich in die Verwirrungen und den Herzschmerz der letzten paar Tage ein. Williams Bemerkung, er vermisse uns, geistert mir im Kopf herum, als Endlosschleife. Zehn Minuten später sitze ich mitten in meinem Bett, umgeben von zig gebrauchten Taschentüchern, als ich unten im Flur Schritte höre. Anhand ihrer Leichtigkeit erkenne ich, dass es Bunny ist. Ich setze alles daran, mich zusammenzureiÃen, aber es ist zwecklos.
»Ist alles in Ordnung?« Sie streckt ihren Kopf zur Tür herein.
»Alles bestens. Wirklich alles bestens. Mir gehtâs wirklich gut«, sage ich mit tränenüberströmten Gesicht.
»Kann ich irgendwas tun?«
»Nein, mach dir keine Sorgen. Es ist einfach nur â¦Â« Ich breche erneut in Tränen aus. »Entschuldige. Es ist mir so peinlich.«
Bunny kommt ins Zimmer, holt ein gebügeltes und gestärktes Taschentuch aus ihrer Hosentasche und reicht es mir.
Ich starre es ausdruckslos an. »Das ⦠das geht nicht. Es ist sauber. Ich werdâs total schmutzig machen.«
»Das ist ein Taschentuch, Alice. Dafür ist es da.«
»Wirklich? Es ist total schön.« Und dann fange ich wieder an zu weinen, das volle hässliche Weinprogramm inklusive Schluckauf und Luftschnappen und dem Versuch aufzuhören, was aber ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Bunny setzt sich neben mich aufs Bett. »Du unterdrückst das alles schon sehr lange, oder?«
»Du weiÃt gar nicht, wie lange!«
»Na gut, dann lass es jetzt raus. Ich bleibe hier, bis du damit fertig bist.«
»Ich weià einfach nicht, ob ich ein guter oder ein schlechter Mensch bin. Momentan halte ich mich für einen schlechten Menschen. Gefühlskalt. Ich kann sehr kalt sein, weiÃt
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