Die Eheprobe
Traumwelt. Mit dem Mindestlohn kannst du nicht überleben, Caroline. Nicht in einer Stadt wie San Francisco«, sagt Bunny.
»Natürlich kann ich das. Ich suche mir Mitbewohner. Ich gehe nachts kellnern. Ich schaffe das.«
»Du hast einen Master in Informatik von der Tufts.«
»Oha, jetzt geht das wieder los«, sagt Caroline.
»Und es ist total bescheuert von dir, wenn du nichts daraus machst. Es ist deine Aufgabe, nein, es ist deine Verantwortung, etwas daraus zu machen. Du könntest aus dem Stand das Doppelte, Dreifache verdienen!«, schreit Bunny.
»Geld ist mir nicht so wichtig, Mom«, sagt Caroline.
»So, so, Geld ist ihr nicht so wichtig, Alice«, sagt Bunny.
»Genau, Geld ist ihr nicht so wichtig, Bunny.« Ich setze mich neben sie aufs Bett. »Und vielleicht ist das im Moment für sie so in Ordnung«, sage ich leise. Ich lege meine Hand auf Bunnys Knie. »Sieh mal, sie ist jung. Sie muss niemanden durchfüttern auÃer sich selbst. Sie hat noch viel Zeit, bis Geld für sie wichtig wird. Caroline wird in einem Unternehmen arbeiten, das wirklich was bewirkt im Leben vieler Frauen.«
Bunny funkelt uns trotzig an.
»Du solltest stolz auf sie sein, Bunny, nicht wütend.«
»Habe ich auch nur mit einem Wort gesagt, dass ich nicht stolz auf sie bin?«, keift sie mich an.
»Na ja, ganz bestimmt verhältst du dich nicht so«, meint Caroline.
»Du treibst mich in die Enge! Und das gefällt mir nicht«, ruft Bunny.
»Wodurch treibe ich dich denn in die Enge?«, fragt Caroline.
»Du bringst mich dazu, jemand zu sein, der ich nicht sein will! Geld, Geld, Geld! Ich kannâs nicht fassen â mal ehrlich, wie um alles in der Welt? Ausgerechnet ich!« Bunny ist empört. Und dann schlägt sie plötzlich beide Hände vors Gesicht und stöhnt.
»Was ist denn jetzt?«, fragt Caroline.
Bunny winkt ab.
»Was ist denn, Mom?«
»Ich kann nicht sprechen.«
»Warum kannst du nicht sprechen?«
»Weil ich mich schäme«, flüstert Bunny.
»O Gott«, sagt Caroline.
Sei nett zu ihr. Sie fühlt sich mies , gebe ich Caroline lautlos zu verstehen.
Caroline seufzt schwer und verschränkt die Arme vor der Brust. »Und weswegen, Mom?«
»Dass du diese Seite von mir siehst«, sagt Bunny mit gedämpfter Stimme.
»Du meinst wohl eher, dass Alice diese Seite von dir sieht. Ich tue das die ganze Zeit.«
»Ja ja.« Bunny lässt die Schultern hängen und sieht total fertig aus. »Das weià ich, Caroline. Mea culpa. Mea culpa!« Sie weint.
Caroline lässt sich langsam erweichen, als sie erkennt, dass ihre Mutter sich wirklich quält.
»Ich glaube, du bist zu hart zu dir, Bunny«, sage ich. »Es gibt nicht nur schwarz oder weiÃ, wenn es um deine Kinder geht.«
»Nein, ich bin eine Heuchlerin«, sagt Bunny.
»Jawoll«, sagt Caroline, »sie ist eine Heuchlerin.« Sie beugt sich zu ihrer Mutter hinunter und gibt ihr einen Kuss auf die Wange. »Aber eine sehr liebenswerte.«
Bunny sieht zu mir hoch. »Wie erbärmlich führe ich mich hier auf? Vor weniger als einer halben Stunde habe ich dich wichtigtuerisch darüber belehrt, dass du lernen musst, deine Kinder loszulassen.«
»Ich kenne nur eine Methode, wie man sie loslässt«, sage ich, »und zwar die chaotische.«
Bunny greift nach Carolines Hand. »Ich bin sehr stolz auf dich, Caroline, ehrlich.«
»Das weià ich, Mom.«
Sie streichelt Carolines Handrücken. »Und wer weiÃ, vielleicht kannst du dir selber einen kleinen Mikrokredit geben, wenn du Geld brauchst. Einer der Vorteile, wenn man bei Tipi arbeitet. Nur falls du es schwierig findest, mit deinem Gehalt auszukommen.«
Caroline blickt zu mir hinüber und schüttelt den Kopf.
»Eins noch, Alice, das muss ich noch loswerden, falls entweder Zoe oder Peter auch nur den Hauch einer Begabung für Mathe oder technische Fächer zeigt, solltest du wirklich â¦Â«
Caroline legt ihrer Mutter einen Finger auf die Lippen und bringt sie zum Schweigen. »Du musst immer das letzte Wort haben, oder?«
Später am Nachmittag checke ich Lucy Pevensies Facebook-Account. Keine neuen Nachrichten oder Pinnwandmeldungen. Yossarian ist auch nicht online.
Ich klicke mich durch die neuesten Facebook-Aktivitäten.
Nedra Rao
Das soll das 21. Jahrhundert sein? Ist denn hier niemand fähig,
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