Die Eheprobe
auch?«
»Natürlich zählen E-Mails auch.«
»Ich nehme an einer Umfrage teil. Einer anonymen Umfrage. Ãber die Ehe im einundzwanzigsten Jahrhundert«, flüstere ich ins Handy.
»So etwas wie Anonymität gibt es nicht. Nicht im einundzwanzigsten Jahrhundert und ganz bestimmt nicht im Internet. Warum in Gottes Namen tust du das?«
»Weià ich nicht. Ich fandâs irgendwie lustig?«
»Jetzt mal im Ernst, Alice.«
»Also gut. Okay. Schön. Ich habe wahrscheinlich das Gefühl, dass eine Bestandsaufnahme fällig ist.«
»Bestandsaufnahme von was?«
»Ãhm, na ja â von meinem Leben. Mir und William.«
»Was ist los, machst du gerade so ein Midlife-Ding durch?«
»Warum werde ich das ständig von allen möglichen Leuten gefragt?«
»Beantworte die Frage.«
Ich seufze. »Vielleicht.«
»Das kann nur zu gebrochenen Herzen führen, Alice.«
»Fragst du dich denn nie, ob das alles so in Ordnung ist? Ich meine, nicht nur so oberflächlich, sondern wirklich, tief drin in Ordnung?«
»Nein.«
»Wirklich?«
»Wirklich, Alice. Ich weià , dass alles in Ordnung ist. Du hast dieses Gefühl bei William nicht?«
»Wir gehen einfach so unaufmerksam miteinander um. Es fühlt sich für mich so an, als sei jeder von uns beiden ein Posten auf der Liste des anderen, den es möglichst schnell abzuhaken gilt. Hört sich das nicht furchtbar an?«
»Stimmt es denn?«
»Manchmal.«
»Komm schon, Alice, du verheimlichst mir doch irgendwas. Was war der Auslöser für das alles?«
Ich überlege kurz, Nedra davon zu erzählen, dass ich in diesem Jahr den kritischen Punkt erreiche, aber mal ehrlich, so nahe wir uns auch stehen, sie hat keinen Elternteil verloren, und sie würde es nicht verstehen. Sie und ich reden nicht viel über meine Mutter. Das hebe ich mir für die Mumble Bumbles auf, eine Trauer-Selbsthilfegruppe, in der ich seit fünfzehn Jahren Mitglied bin. Auch wenn ich die anderen drei Frauen länger nicht mehr gesehen habe, bin ich bei Facebook mit jeder von ihnen befreundet: Shonda, Tita und Pat. Ja, ich weiÃ, unser Name klingt seltsam. Wir fingen als Mother Bees an, wurden dann zu Mumble Bees und mutierten dann irgendwie zu den Mumble Bumbles.
»Manchmal frage ich mich einfach, ob wir es noch vierzig Jahre miteinander aushalten. Vierzig Jahre sind eine lange Zeit. Findest du nicht, dass es lohnenswert wäre, das zu hinterfragen, jetzt, wo wir fast zwanzig Jahre bewältigt haben?«
»Olivia Newton-John!«, kreischt Kate im Hintergrund los. »Der siehst du ähnlich, wollte ich sagen. Das Cover vom Letâs-get-Physical- Album!«
»Aus meiner Erfahrung heraus ist es das nicht hinterfragte Leben, das sich zu leben lohnt«, sagt Nedra. »Wenn man glücklich bis ans Ende aller Tage sein will, meine ich â mit dem eigenen Partner. Liebes, ich muss zusehen, dass ich irgendwas gegen diesen grässlichen Shag unternehme. Kate geht schon mit Haarklemmen auf mich los.«
Ich kann hören, wie Kate in grässlich falscher Tonlage Olivia Newton-Johns I Honestly Love You singt.
»Tust du mir einen Gefallen?«, bittet mich Nedra. »Falls du mich siehst, sag mir nicht, dass ich wie Rachel aus Friends aussehe. Und ich verspreche dir, wir unterhalten uns dann später über die Ehe im neunzehnten Jahrhundert.«
»Einundzwanzigsten Jahrhundert.«
»Macht doch eh keinen Unterschied. Küsschen.«
Kapitel 11
21. Nein, bis ich diesen Film über das Hubble-Teleskop in IMAX-3D gesehen habe.
22. Nacken.
23. Unterarme.
24. Lang. So würde ich ihn beschreiben. Seine Beine passten kaum unter seinen Schreibtisch. Das war, bevor der legere Business-Dresscode erfunden wurde und sich noch jeder fürs Büro schick anzog. Ich trug einen Bleistiftrock und hochhackige Schuhe. Er trug einen Nadelstreifenanzug, dazu eine gelbe Krawatte. Er hatte einen hellen Teint, aber seine Haare waren dunkel, fast schwarz, und fielen ihm ständig in die Augen. Er sah aus wie eine junge Ausgabe von Sam Shepard: unnahbar und grüblerisch.
Ich war total verunsichert und habe versucht, mir nichts anmerken zu lassen. Warum hatte Henry (Henry ist mein Cousin und verantwortlich dafür, dass ich das Vorstellungsgespräch bekommen habe; er spielte FuÃball mit William) mich nicht gewarnt, wie gut William aussah? Ich wollte, dass er mich
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