Die Eheprobe
wahrnimmt, ich meine wirklich wahrnimmt, und ja,ich wusste, dass er gefährlich war, sprich: dass er etwas zurückhielt, sprich: dass er VERGEBEN war â auf seinem Schreibtisch stand ein Foto von ihm und einer unglaublich attraktiven Blondine. Ich war gerade dabei, ihm zu erklären, warum eine Frau mit einem Abschluss in Theaterwissenschaften, Nebenfach Dramaturgie, einen Job als Texterin haben wollte, was jede Menge Drumherumreden um die Wahrheit nach sich zog (weil der Job tagsüber zu erledigen ist und weil Theaterstücke kein Geld einbringen und ich etwas tun muss, um mich über Wasser zu halten, während ich meine KUNST weiterverfolge, und da darf es ruhig auch das Verfassen nichtssagender Texte über Geschirrspülmittel sein), als er mich unterbrach. »Henry sagte, Sie wären an der Brown University angenommen worden, aber Sie sind auf die University of Massachusetts gegangen?«
Verdammt, Henry. Ich versuchte, es zu erklären. Ich begann mit meinem altbekannten Vortrag, ich hätte die U-Mass-Tradition in meiner Familie fortgeführt, was allerdings eine Lüge war. Die Wahrheit lautete, dass ich an der University of Massachusetts ein Vollstipendium und an der Brown nur ein Teilstipendium bekam und dass mein Vater niemals auch nur die Hälfte der Studiengebühren an der Brown hätte aufbringen können. Aber er unterbrach mich wieder und bedeutete mir mit einer Handbewegung, ich solle aufhören zu reden, und ich schämte mich. Als hätte ich ihn enttäuscht.
Er gab mir meinen Lebenslauf zurück, den ich auf dem Weg nach drauÃen zerriss, in dem sicheren Gefühl, das Vorstellungsgespräch vermasselt zu haben. Am nächsten Tag hatte ich eine Nachricht von ihm auf dem Anrufbeantworter: »Sie fangen Montag an, Brown.«
Kapitel 12
Von: Ehefrau 22
Betreff: Antworten
Datum: 10. Mai, 05:50 Uhr
An: forscher101
Hallo Forscher 101,
ich hoffe, ich mache alles richtig. Ich habe Angst, dass einige meiner Antworten elaborierter sind, als Sie es gutheiÃen, und vielleicht bevorzugen Sie ja eine Testperson, die beim Thema bleibt und mit Ja, Nein, Manchmal und Vielleicht antwortet. Die Sache ist die: Mir hat noch nie jemand solche Fragen gestellt. Ich meine natürlich diese Art von Fragen. Jeden Tag stellt man mir Fragen, die für eine Frau in meinem Alter normal sind. So wie heute, als ich versucht habe, einen Termin beim Hautarzt zu vereinbaren. Die erste Frage der Sprechstundenhilfe lautete, ob ich einen verdächtigen Leberfleck habe. Dann teilte sie mir mit, der nächstmögliche Termin sei in sechs Monaten, und wollte wissen, wann mein Geburtstag sei. Nachdem ich ihr das Jahr genannt hatte, fragte sie mich, ob ich bei meinem Leberfleck-Check Wert auf ein Informationsgespräch mit dem Arzt legen würde â über Faltenaufspritzen. Wenn ja, dann könnte mich der Herr Doktor schon nächste Woche sehen, ob mir Donnerstag passen würde? Diese Sorte Fragen stellt man mir, Fragen, die ich lieber nicht gestellt bekommen würde.
Vermutlich ist das hier der Versuch zu sagen, dass mir die Teilnahme an der Umfrage Spaà macht.
Beste GrüÃe
Ehefrau 22
Von: forscher101
Betreff: RE : Antworten
Datum: 10. Mai, 09:46 Uhr
An: Ehefrau 22
Hallo Ehefrau 22,
ich nehme an, Sie beziehen sich auf Frage 24 â was Ihre Angst betrifft, Ihre Antworten seien womöglich zu lang? Eigentlich war es so, als läse man eine kleine Drehbuch-Szene, mit den vielen Dialogen. War das Absicht?
Mit freundlichen GrüÃen
Forscher 101
Von: Ehefrau 22
Betreff: RE : Antworten
Datum: 10. Mai, 10:45 Uhr
An: forscher101
Hallo Forscher 101,
ich bin mir nicht sicher, ob das Absicht war. Eher so etwas wie Macht der Gewohnheit. Früher habe ich Theaterstücke geschrieben, und ich fürchte, ich denke in Szenen. Ich hoffe, das geht in Ordnung.
Ehefrau 22
Von: forscher101
Betreff: RE : Antworten
Datum: 10. Mai, 11:01 Uhr
An: Ehefrau 22
Hallo Ehefrau 22,
es gibt keine richtige oder falsche Art zu antworten, solange Sie es wahrheitsgemäà tun. Um ehrlich zu sein, Ihre Antwort auf Frage 24 hat mich ziemlich gefesselt.
Viele
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