Die Eheprobe
Alice Buckle hier. Wie gehtâs dir?«, säusele ich mit meiner perfektesten Ich-bin-so-unfassbar-gelassen-Schauspiellehrer-Stimme ins Telefon.
»Alice.« Kelly klingt peinlich berührt, sie spricht meinen Namen in drei Silben aus: A-liss-ss. Mein Anruf versetzt ihr einen Schock. »Danke, gut. Wie gehtâs dir?«
»Danke, gut. Wie gehtâs dir?«, zwitschere ich zurück, während meine gelassene Schauspiellehrer-Stimme versagt. Oh, Gott.
»Wie kann ich dir helfen? Bist du auf der Suche nach William? Ich glaube, er ist drauÃen, was essen.«
»Eigentlich wollte ich mit dir sprechen. Ich habe gehofft, wir könnten ganz offen darüber reden, was passiert ist. Williams Degradierung.«
»Oh â alles klar. Aber hat er dich nicht ins Bild gesetzt?«
»Doch, hat er, aber, na ja, ich hab gehofft, es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, die Sache wieder rückgängig zu machen. Nicht dir deine Beförderung wegnehmen â das meine ich nicht. Natürlich nicht, das wäre nicht fair. Aber vielleicht gibt es einen Weg, wie man das Ganze für William zu einem Wechsel in der Horizontalen machen kann.«
»Dafür bin ich wirklich nicht die richtige Ansprechpartnerin.«
»Könntest du nicht vielleicht ein gutes Wort für ihn einlegen? Dich erkundigen?«
»Bei wem erkundigen?«
»Hör mal, William ist seit über zehn Jahren bei KKM .«
»Dessen bin ich mir bewusst. Es ist wirklich heftig. Auch für mich, aber ich glaube nicht â¦Â«
»Herrgott noch mal, Kelly, es geht doch nur um Pflaster.«
»Wieso Pflaster?«
»Den Kunden?«
Kelly schweigt einen Moment lang. »Alice, es war nicht der Pflaster-Kunde, sondern Cialis.«
» Cialis ? Potenzstörungen-Cialis?«
Kelly hüstelt diskret. »Ganz genau.«
»Also, was ist passiert?«
»Das musst du ihn selbst fragen.«
»Ich frage aber dich. Bitte, Kelly.«
»Das sollte ich wirklich nicht tun.«
»Bitte.«
»Mir ist nicht wohl dabei.«
»Kelly, bring mich nicht dazu, noch mal zu fragen.«
Sie stöÃt einen lauten Seufzer aus. »Er ist durchgedreht.«
»Durchgedreht?«
»Während der Fokusgruppe, du weiÃt schon, diese Gruppendiskussionen. Alice, ich frage mich schon die ganze Zeit, ob irgendwas zu Hause nicht stimmt, denn, ehrlich gesagt, war er zuletzt nicht mehr er selbst. Du hast es ja beim FiG -Launch selbst erlebt. Er steht seit ein paar Monaten neben sich. Ist unsicher. Fährt leicht aus der Haut. Als wäre das Büro der letzte Platz auf der Welt, an dem er sein wollte. Jedem ist es aufgefallen, nicht nur mir. Man hat ihn darauf angesprochen. Und dann die Geschichte in der Fokusgruppe. Es wurde auf Video aufgenommen, Alice. Das gesamte Team hat es gesehen. Frank Potter hat es gesehen.«
»Aber William gehört doch zum Kreativteam, nicht zu den Strategen. Warum hat er überhaupt an der Fokusgruppe teilgenommen?«
»Weil er darauf bestanden hat. Er wollte bei der Marktforschung dabei sein.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Wahrscheinlich ist es besser so.«
»Schick mir das Video«, sage ich.
»Das ist keine gute Idee.«
»Kelly, ich flehe dich an.«
»Oh Gott, oh Gott. Warte eine Sekunde. Gib mir Zeit zum Nachdenken.«
Kelly bleibt stumm.
Ich zähle bis zwanzig. »Immer noch am Nachdenken?«
»Von mir aus, Alice«, sagt Kelly. »Aber du musst mir schwören, es niemandem zu verraten. Hör zu, es tut mir echt leid. Ich respektiere William. Er war immer mein Mentor. Ich habe mich nicht um seinen Job beworben, und ich fühle mich schrecklich. Glaubst du mir das? Bitte glaub mir das.«
»Ich glaube dir, Kelly, aber jetzt, als Kreativdirektor, solltest du vermutlich damit aufhören, die Leute eindringlich zu bitten, sie mögen dir glauben.«
»Du hast recht, daran muss ich noch arbeiten. Das Video maile ich dir.«
»Danke.«
»Und noch was, Alice.«
»Ja?«
»Bitte hasse mich nicht.«
»Kelly.«
»Was denn?«
»Du tust es schon wieder.«
»Oh nein, stimmt! Tut mir leid. Ich war auf diese Beförderung nicht vorbereitet. Davon geträumt habe ich schon immer, aber ich habe nicht geglaubt, dass es so plötzlich wahr wird. Unter uns gesagt, ich fühle mich wie eine Mega-Hochstaplerin. Was soll ich sagen. Ich leg jetzt besser auf. Ich bin wirklich kein schlechter
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