Die Eheprobe

Mal?«, sagt sie.
    Â»Vierundzwanzig Mal. Zweimal im Monat?«
    Â»Ja, zweimal im Monat klingt gut. Das hört sich für mich normal an. Sehen Sie das auch so? Glauben Sie, das ist normal?«
    Â»Normal? Na ja, es ist einmal mehr als bei mir zu Hause«, sagt William.
    Â»Es reicht. Mach Schluss«, sagt Kelly.
    Ich schnappe nach Luft. Hat mein Ehemann gerade der gesamten Fokusgruppe und seinem Team verkündet, wie oft wir Sex haben?
    Â»Meine Frau und ich tun so, als hätten wir jede Woche Sex, genau wie die meisten anderen verheirateten Paare, die wir kennen – die aber alle in Wirklichkeit auch nur einmal im Monat Sex haben«, erläutert William.
    Â»Ich schalte jetzt die Kamera ab«, warnt ihn Kelly.
    Â»Ich würde unsere Ehe nicht als sexfreie Zone beschreiben«, fährt William fort. »Eine sexfreie Zone, das bedeutet einmal Sex im halben Jahr oder einmal im Jahr. Es ist einfach nur so, dass es den passenden Moment früher öfter gab als jetzt.«
    Â»Es tut mir leid, das zu hören«, sagt Sonja.
    Â»Sag mir, dass es uns in zwanzig Jahren nicht genauso geht!«, greint Melinda.
    Â»Niemals«, sagt Avi, »das wird uns niemals passieren, Babe.«
    Â» Den passenden Moment, den gibt es immerzu «, sagt Sonja. »Dieses Immerzu macht mich fertig. Das hat nichts mehr mit Freiheit zu tun. Zumindest nicht für die Frau. Es ist eine Drohung. Eine Alarmstufe-Rot-Erektion.«
    Â»Darf ich Sie noch etwas fragen?«, bittet William Sonja.
    Â»Schießen Sie los.«
    Â»Glauben Sie, die meisten Frauen in Ihrem Alter denken genauso?«
    Sonja schnieft. »Ja.«
    Ich drücke die Pause-Taste, lege meinen Kopf auf die Schreibtischplatte und wünsche mir, ich könnte die letzten zehn Minuten meines Lebens zurückspulen. Warum, warum, warum nur habe ich mir das angeschaut? Ich schäme mich dafür, William hintergangen zu haben, ich bin wütend darüber, wie dreist und unprofessionell er sich aufgeführt hat (die Kardinalregel für das Leiten einer Fokusgruppe lautet: Gib niemals, niemals persönliche Dinge preis), ich fühle mich gedemütigt, dass er uns und unsere Ehe öffentlich als sexfreie Zone geoutet hat (was nicht stimmt, denn wir haben einmal die Woche Sex – na gut, einmal alle zwei oder drei Wochen – okay, vielleicht vergrößert sich der Abstand manchmal auch auf einmal im Monat), ich bin beunruhigt, dass er irgendein neues Medikament einnimmt, von dem er mir nichts gesagt hat, beunruhigt, dass dieses Medikament Cialis heißt und dass er mir demnächst erzählen wird, wir hätten dank des medizinischen Fortschritts jetzt ein sechsunddreißigstündiges Zeitfenster, in dem von mir erwartet wird, mindestens dreimal am Tag Sex zu haben. Aber das vorherrschende Gefühl in mir ist Trauer, weil ich Teile von mir selbst in beiden Frauen wiedererkannt habe. In Melinda, die sich danach sehnt, von derselben Luft wie ihr Freund zu leben. Und in Sonja, bei der es so selten den passenden Moment gibt.
    Sie waren – sind – beide ich selbst.
    Alice Buckle, was für ein Auto wären Sie genau jetzt, wenn Sie ein Auto wären?
    Ganz einfach: ein Ford Escape. Ein Hybrid- SUV . Das Basismodel. Ziemlich abgenutzt. Kratzer auf der vorderen Stoßstange. Die Türen übersät mit Dellen. Ein rätselhafter Geruch nach verrottetem Apfel, der von den vorderen Fußmatten aufsteigt. Aber zuverlässig. Ein Auto mit Vierradantrieb, das im Schnee sicher unterwegs ist, dessen Potenzial aber total vergeudet ist, weil seine Besitzer in einer Stadt leben, in der die Temperatur selten unter fünf Grad fällt.
    Und das, genau das, ist mein Problem.

Kapitel 18
    25. Williams Freundin hieß Helen Davies. Sie war für die Produkteinführungen verantwortlich. In der Gerüchteküche hieß es, ihre Verlobung stünde unmittelbar bevor. Sie kamen morgens zusammen ins Büro und tranken gemeinsam den ersten Kaffee. Mittags aßen sie gemeinsam am Kendall Square. Abends gabelte sie ihn wieder auf, und dann zischten sie gemeinsam los auf ein paar Drinks in der Newbury Street. Sie war immer umwerfend gut angezogen. Ich kaufte damals in Filene’s Basement ein, dem Garant für gute Schnäppchen.
    Man teilte mich einem Klopapier-Kunden zu, was nicht so schlimm war, wie es klingt. Die Arbeit bestand darin, mit ein paar Testrollen von besagtem Klopapier nach Hause zu gehen und mir originelle