Die Ehre der Königin
würde keine graysonitische Frau je ihr Haar so kurz schneiden.
Doch Captain Honor Harrington war keine graysonitisehe Frau. Ein Blick in die dunklen, kühlen Mandelaugen machte dies jedem vollkommen klar, und so streckte Mayhew ihr die Hand entgegen, wie er es bei einem Mann getan hätte.
»Guten Abend, Captain Harrington.« Er gestattete sich ein feines, ironisches Lächeln. »Ich freue mich, daß Sie meine Einladung angenommen haben.«
»Ich danke Ihnen, Protector Mayhew.« Ihr Händedruck war fest, doch gewann Mayhew den Eindruck, daß seine Kraft sorgfältig dosiert wurde; die Sopranstimme klang sanft und süß. Auch außergewöhnlich ernst, doch Mayhew glaubte, die Andeutung eines Augenzwinkerns wahrzunehmen. »Es war großzügig von Ihnen, mich einzuladen«, fügte sie hinzu, und Mayhew spürte, daß seine Mundwinkel zuckten.
»Ja. Nun, unter den Umständen erschien es mir angemessen.«
Ein Neigen ihres Kopfes gestand ihm die Parade zu, und er bedeutete ihr mit einer eleganten Geste, ihn zu begleiten. Sie ging an seiner Seite, mit langsamem und müßigem Schritt, um seine kürzeren Beine auszugleichen, und er sah zu ihr auf.
»Ich dachte, ich stelle Sie vor dem Essen meiner Familie vor, Captain«, fuhr er fort. »Mein jüngerer Bruder Michael ist besonders daran interessiert, Sie kennenzulernen. Er hält einen Bakkalaureus von der Anderman-Universität auf Neu-Berlin, und er hofft, das Hauptstudium auf Manticore aufnehmen zu können, wenn unsere Verhandlungen sich gut entwickeln.«
»Ich hoffe sehr, daß das möglich ist, Protector.« Harringtons Ton ließ erkennen, daß sie Mayhews Andeutung, Michael sei wie er selbst an unabhängig denkende Frauen gewöhnt, wohl verstanden hatte. Selbstverständlich , dachte der Protector mit innerem Lächeln, ist das Studium nicht der einzige Grund, weshalb Michael sie kennenlernen will.
Sie gingen den Korridor entlang, der zum Eßzimmer führte, und zwei von Fox’ Männern trennten sich von der Prozession, um sich zu beiden Seiten der Tür zu postieren. Die anderen vier geleiteten zusammen mit ihrem Chef den Protector durch die Tür und nahmen in den Ecken des großen Raumes Aufstellung. Sie waren es gewöhnt, unaufdringlich zu agieren, und Harrington zeigte mit keiner Regung, daß sie sich ihrer wachsamen Gegenwart bewußt sei. Fox musterte sie abschätzig mit einem letzten, unheilvollen Blick, dann nahm er seine Position neben dem Stuhl des Protectors ein, und die Familie Mayhew gesellte sich zu ihnen.
»Gestatten Sie mir, Ihnen meine Frauen vorzustellen, Captain Harrington«, sagte er. »Dies ist Katherine, meine erste Frau.«
Katherine Mayhew war selbst nach graysonitischen Begriffen eine kleine Frau – neben Harrington wirkte sie winzig. In ihr vereinigte sich die Eleganz einer traditionellen graysonitischen Ehefrau mit einem erstklassigen Verstand, und ihr schändlich untraditioneller Ehemann hatte ihren unbändigen Wissensdurst durch Privatstunden am Leben erhalten, die sie für ein halbes Dutzend Abschlüsse an jeder Außerwelt-Universität qualifiziert hätten. Nun sah sie ihre Besucherin an und bot ihr, ohne zu zögern, zur Begrüßung die Hand.
»Madame Mayhew«, antwortete Honor und schüttelte ihr ernst die Hand.
»Und das ist Elaine«, stellte Mayhew seine zweite Frau vor.
Elaine Mayhew war offensichtlich schwanger, und sie schüttelte die Hand der Sternenschiffkommandantin wachsamer, als Katherine es getan hatte, doch als Harrington sie anlächelte, entspannte sie sich sichtlich.
»Madame Mayhew«, wiederholte Harrington.
»Ich fürchte, unsere Töchter sind bereits im Bett«, fuhr Mayhew fort, »doch erlauben Sie mir, Sie mit meinem Bruder und Erben bekannt zu machen, Gutsherr Michael.«
»Captain Harrington.«
Michael Mayhew war größer als sein Bruder, aber noch immer kleiner als ihr Gast. Außerdem war er zwölf Jahre jünger als Benjamin und verrückt nach allem, was mit der Navy zu tun hatte. Er grinste jungenhaft. »Ich hoffe doch, daß Sie mir eine Führung durch Ihr Schiff geben, bevor Sie nach Manticore zurückkehren, Captain.«
»Ich bin sicher, das ließe sich arrangieren, Lord Mayhew«, antwortete sie mit der entferntesten Andeutung eines Lächelns. Mayhew schüttelte den Kopf, während aus dem Nichts Diener auftauchten.
»Ich sehe, Sie haben bereits einen Bekehrten, Captain«, sagte er, ohne es ernst zu meinen, und grinste seinen Bruder an. Michael errötete.
»Es tut mir leid, wenn ich aufdringlich war, Captain«, begann
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