Die Ehre der Königin
Glauben teilen könnte, wenn ich durchgemacht hätte, was Sie durchgemacht haben, doch andererseits würde ein Grayson vielleicht meinen Glauben unverständlich finden. Wir sind, was unser Leben – und was Gott – aus uns macht, Admiral Yanakov, und das gilt für Graysons ebenso wie für Manticoraner.«
»Eine sehr tolerante Sicht«, sagte Yanakov langsam. »Eine, von der ich fürchte, daß viele, wahrscheinlich die meisten meines Volkes sie nur schwer akzeptieren könnten. Ich für mein Teil glaube, daß Sie recht haben. Dennoch schreibt uns unser Glaube vor, wie wir unsere Frauen zu sehen haben. Sicherlich haben wir uns im Laufe der Jahrhunderte verändert – unsere Vorfahren nannten sich schließlich nicht umsonst die ›Gemäßigten‹! –, aber wir bleiben dennoch, wer wir sind. Frauen sind nicht länger Eigentum des Mannes, und wir entwickelten genaue Verhaltensregeln, wie sie zu beschützen und zu ehren sind. Zum Teil sicherlich, um uns von den Wahren Gläubigen abzugrenzen. Mir ist bekannt, daß viele Männer ihre Privilegien mißbrauchen – und ihre Frauen und Töchter –, doch wird ein Mann, der in der Öffentlichkeit eine graysonitische Frau beleidigt, höchstwahrscheinlich auf der Stelle gelyncht, wenn er Glück hat, und unsere Frauen werden auf jeden Fall unendlich besser behandelt als Masadanerinnen. Dennoch gelten sie auch hier bei uns als religiös zweitrangig und sind es rechtlich. Trotz des Beispiels der Mutter Graysons reden wir uns ein, es geschehe zum Besten der Frauen, weil sie schwächer sind, weil sie zu viele andere Bürden zu tragen haben, als daß man sie zwingen könnte, zu wählen, Eigentum zu besitzen … in den Streitkräften zu dienen.« Er reagierte mit einem leichten, angespannten Lächeln auf Courvosiers Blick. »Und deswegen schüchtert Ihre Captain Harrington uns so sehr ein. Sie erfüllt uns mit Furcht, weil sie eine Frau ist und die meisten von uns im Grunde ihres Herzens wissen, daß Haven bezüglich des Basilisk-Zwischenfalls lügt. Können Sie sich überhaupt vorstellen, welche Bedrohung sie für uns darstellt?«
»Nicht wirklich. Ich kann selbstverständlich einige der Implikationen erkennen, doch meine Kultur unterscheidet sich von Ihrer zu sehr, als daß ich alles verstehen könnte.«
»Dann verstehen Sie bitte so viel, Admiral: Wenn Captain Harrington ein so herausragender Offizier ist, wie Sie glauben – und was ich persönlich nicht bezweifle –, dann widerlegt sie all unsere Vorstellungen von Weiblichkeit. Sie beweist, daß wir unrecht haben – daß unsere Religion falsch ist. Sie beweist, daß wir neun Jahrhunderte lang für einen Irrtum gelebt haben. Die Idee, daß wir unrecht haben könnten, ist für uns nicht so vernichtend, wie Sie vielleicht glauben – immerhin haben wir diese neun Jahrhunderte auch mit dem Wissen verbracht, daß unsere Gründerväter im Irrtum waren oder wenigstens nicht völlig im Recht. Ich glaube, nach einiger Zeit werden wir diesen Irrtum ebenfalls zugeben können. Nicht leicht, nicht ohne Auseinandersetzung mit unserem derzeitigen Äquivalent zu den Wahren Gläubigen, aber ich glaube, wir können es schaffen.
Wenn dies geschieht, was geschieht dann mit Grayson? Sie haben zwei meiner Frauen kennengelernt. Ich liebe alle drei von ihnen von Herzen – und ich würde sterben, um sie zu schützen –, doch Captain Harrington sagt mir allein durch ihre Existenz, daß ich meine Frauen zu weniger gemacht habe, als sie sein könnten. Und es ist die Wahrheit: Sie sind weniger als Captain Harrington. Weniger fähig, unabhängig zu leben, weniger fähig, Verantwortung zu übernehmen und Risiken einzugehen. Genau wie ich sind sie die Produkte einer Zivilisation und eines Glaubens, die ihnen einreden , sie seien in diesen Bereichen zu weniger fähig.
Was also soll ich tun, Admiral? Soll ich meinen Frauen mitteilen, daß sie sich auf mein Urteil nicht mehr verlassen dürfen? Daß sie sich eine Arbeit suchen sollen? Daß sie für ihre Rechte einstehen und die gleiche Uniform wie ich anziehen sollen? Woher soll ich wissen, wann meine Vorbehalte bezüglich ihrer Fähigkeiten aufhören, echte Fürsorge und Liebe zu sein? Wann meine Meinung, sie müßten geschult werden, bevor sie mir gleichkommen können, nicht mehr echte Würdigung der anerzogenen Beschränkungen ist? Und wann würde meine Meinung zur Sophisterei, um den Status quo zu stärken und meine eigenen Rechte und Vorrechte zu schützen?«
Wieder unterbrach er sich, und Courvosier
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