Die Ehre der Königin
Warnung hatte ihren Preis: in Form einer anderen Tragödie.«
Yanakov starrte in sein Brandyglas.
»Barbara Bancroft ist … nun, ich denke, Sie könnten sie als unsere ›Alibiheldin‹ bezeichnen. Unsere Welt verdankt ihr das Überleben. Sie ist unsere Jungfrau von Orleans, unsere Dame vom See. Sie besitzt alle Tugenden, die wir in unseren Frauen schätzen: Liebe, Fürsorge, die Bereitschaft, das eigene Leben zu opfern, um das der Kinder zu retten. Doch sie ist auch ein Ideal, eine mythische Figur, deren Mut und Kraft zu groß sind, als daß man sie einer ›gewöhnlichen‹ Frau abverlangen könnte. Wir haben ihr Bild nach den Bedürfnissen unserer Vorurteile geformt, für die Wahren Gläubigen jedoch ist die Frau, die wir die Mutter Graysons nennen, das Symbol des Zweiten Sündenfalls, der Beweis für die Verderbtheit, die allen Frauen innewohnt – sagen sie. Das Neue Testament haben die Wahren Gläubigen zwar verworfen, eine Version des Antichristen aber behalten, und sie nennen sie ›Satans Metze‹.
Nur Barbara Bancroft haben wir zu verdanken, daß wir vorbereitet waren, als die Gläubigen uns alle zu vernichten drohten. Uns war klar, daß die einzig mögliche Antwort darin bestand, die Wahnsinnigen auszustoßen – und da spielte das Universum Grayson seinen übelsten Streich, Admiral, denn es gab einen Weg, dies zu tun.«
Er seufzte und lehnte sich zurück.
»Mein eigener Urahn, Hugh Yanakov, kommandierte das Kolonistenschiff. Er versuchte, wenigstens einen Teil der Raumfahrt zu retten, doch unmittelbar nach der Landung zerstörten die Ersten Ältesten die Cryo-Installationen. Das war ihr Äquivalent zum Verbrennen der Boote, und dadurch banden sie sich und ihre Nachkommen an die neue Heimat. Ich bezweifle, daß sie diesen Schritt getan hätten, wenn sie wissenschaftlich besser ausgebildet gewesen wären, aber sie waren es nicht. Und weil das Schiff uns nicht mehr fortbringen konnte, ließen unsere Schwierigkeiten uns keine andere Wahl, als es auszuschlachten.
So waren wir auf Leben oder Tod an diese Welt gebunden, und irgendwie hatten wir überlebt. Doch zur Zeit des Bürgerkriegs hatten wir den Punkt erreicht, wo wir wieder primitive, chemisch angetriebene, unterlichtschnelle Raumschiffe bauen konnten. Sie waren erheblich weniger fortschrittlich als das Schiff, das uns hierhergebracht hatte, doch sie konnten die Reise nach Endicott und zurück in zwölf bis fünfzehn Jahren schaffen. Wir hatten eine Expedition dorthin ausgesandt und den Planeten entdeckt, der heute Masada heißt.
Masada weist eine Achsneigung von mehr als vierzig Grad auf, und im Vergleich mit Grayson ist sein Wetter unglaublich hart, doch die einheimische Fauna und Flora ist für Menschen genießbar. Man kann dort leben, ohne sich über Blei- und Quecksilbervergiftungen sorgen zu müssen, die man hier durchs bloße Einatmen bekommt. Die meisten unseres Volkes hätten ihren gesamten Besitz gegeben, um dort leben zu können, aber sie konnten nicht. Wir besaßen einfach nicht die Kapazität, um so viele Menschen umzusiedeln. Aber als der Bürgerkrieg damit endete, daß eine Handvoll Fanatiker den ganzen Planeten zu sprengen drohte, konnten wir sie nach Masada deportieren.«
Wieder lachte er, viel freudloser und harscher als zuvor.
»Denken Sie einmal darüber nach, Admiral. Wir mußten sie deportieren, und der einzige Ort, an den wir sie verbannen konnten, war unendlich besser als das, wo der Rest von uns bleiben mußte! Es waren kaum fünfzigtausend von ihnen, und den Vereinbarungen des Friedensabkommens folgend, rüsteten wir sie so gut aus, wie wir nur konnten, und schickten sie fort. Dann wandten die Zurückgebliebenen sich wieder der Aufgabe zu, auf Grayson zu überleben.«
»Wenn man alles bedenkt, haben Sie sich ganz gut geschlagen«, sagte Courvosier leise.
»Oh, das haben wir. Um ehrlich zu sein, liebe ich diese Welt. Sie gibt jeden Tag ihr Bestes, um mich umzubringen, und eines Tages wird sie damit Erfolg haben, aber ich liebe sie. Sie ist meine Heimat. Und sie hat uns zu dem gemacht, was wir sind, und weil wir überlebt haben, verloren wir unseren Glauben nicht. Noch immer glauben wir an Gott und daran, daß dies alles eine Prüfung, eine Reinigung darstellt. Ich nehme an, Sie halten diesen Glauben für irrational?«
Die Frage hätte in beißendem Ton gestellt sein können, doch sie kam fast mild.
»Nein«, antwortete Courvosier nach einem Augenblick. »Nicht irrational. Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch Ihren
Weitere Kostenlose Bücher