Die Ehre der Königin
Geschichte als die meisten Offiziere der Volksflotte – mehr, als seinen Vorgesetzten lieb war. Er wäre beinahe von der Akademie relegiert worden, als einer seiner Ausbilder das Versteck mit indizierten Geschichtswerken gefunden hatte. Damals war die Volksrepublik noch einfach die Republik Haven gewesen. Yu war es gelungen, genug Unsicherheit über die Besitzverhältnisse der anstößigen Bänder zu erzeugen, um den Hinauswurf zu vermeiden. Dennoch war dies eine der furchterregendsten Episoden seines Lebens gewesen – und danach hatte er stets darauf geachtet, seine innersten Gedanken gut zu verbergen.
Die Doppelzüngigkeit, die er betreiben mußte, belastete ihn – manchmal –, aber nicht genug, um seine Lebensumstände zu verändern, denn er hatte zuviel zu verlieren.
Yus Familie hatte seit über einem Jahrhundert zu den Dolisten ( Empfänger des Lebenshaltungszuschusses (LHZ) in der Volksrepublik Haven; angelehnt an das englische Wort dole – Sozialhilfe, ›Stütze‹. (Anm. d. Übers.)) gehört. Aus der Prolesiedlung hatte sich der jetzige Captain durch Wagemut und Begabung hervorgekämpft, und das in einer Gesellschaft, in der beide Qualitäten mehr und mehr an Bedeutung verloren. Yu machte sich zwar keine Illusionen über die Volksrepublik, doch er bevorzugte den Dienst gegenüber der Rückkehr in das Leben, dem er entkommen war.
Er seufzte und sah auf die Uhr. Simonds war – wieder einmal – zu spät.
Noch etwas, was Yu an diesem Einsatz haßte. Er war ein pünktlicher, präziser Mensch, und es verärgerte ihn, daß sein nomineller Vorgesetzter aus einer Kultur stammte, in der Vorgesetzte ihre Untergebenen gewohnheitsmäßig warten ließen, allein um ihre Vorrangstellung zu unterstreichen.
Nicht, daß Haven keine eigenen Warzen hätte , überlegte er und versank erneut in die leidenschaftslose Träumerei, deren soziale Fehlfunktionsindikation die Mentalhygienepolizei schockiert hätte. Zwei Jahrhunderte des defizitären Geldverschleuderns, um sich die Unterstützung des Pöbels zu erkaufen, hatte nicht nur die Wirtschaft der Republik ruiniert, sondern auch jedes Verantwortungsgefühl innerhalb der Familien, die sie regierten. Yu verabscheute den Pöbel, wie es nur jemand konnte, der sich eigenhändig aus seinen Reihen hochgekämpft hatte, doch wenigstens waren die Angehörigen des Pöbels ehrlich. Es waren unwissende, ungebildete, unproduktive Blutegel, doch sie waren ehrlich. Die bessere Ausbildung hingegen besaßen die Legislaturisten, die all jene politisch korrekten Platitüden salbaderten, um vor dem Rest der Galaxis gut dazustehen,; und auch die Dolisten-Manager, die die Wahlblocks der Proles kontrollierten, waren gut ausgebildet; doch sie waren unehrlich. Und nur in dieser Hinsicht unterschieden sie sich, nach Captain Alfredo Yus wohldurchdachter Ansicht, vom Pöbel.
Er schnaubte und setzte sich anders. Er starrte aus dem Bullauge und wünschte, er könnte seine Regierung respektieren. Ein Mann sollte das Gefühl haben, sein Staat sei es wert, dafür zu kämpfen, doch Haven war es nicht wert und würde es nie sein. Er jedenfalls würde das nicht mehr erleben. Aber so korrupt und zynisch die VRH auch sein mochte, sie war sein Staat. Er hatte sich nicht darum beworben, aber Haven war das Los, das er gezogen hatte. Er würde der Volksrepublik so gut dienen, wie er nur konnte, weil er keine andere Wahl hatte. Und weil er nur durch den erfolgreichen Dienst als Havens Schwertarm eine Gelegenheit erhielt zu beweisen, daß er besser war als das System, das ihn zu dem gemacht hatte, was er war.
So grollte er, dann erhob er sich und schritt im Besprechungsraum auf und ab. Verdammt noch mal! Herumsitzen und Warten lenkte seine Gedanken stets in diese düsteren, ausgetretenen Bahnen. Das kann ich im Moment überhaupt nicht brauchen. Jetzt …
Die Luke öffnete sich, und Yu wandte sich ihr zu. Er nahm Haltung an, als Schwert der Wahren Gläubigen Simonds hineinstapfte. Er kam allein, was Yus Laune ein wenig verbesserte. Wenn Simonds sich entschieden hätte, einfach auf stur zu schalten, dann hätte er eine Auswahl der Unmenge von Flaggoffizieren, die die Navy von Masada zu bieten hatte, mitgebracht. Yu wäre in diesem Fall gezwungen gewesen, sich an das übliche Protokoll militärischer Höflichkeit zu halten, und hätte Simonds in keiner Weise unter Druck setzen können.
Simonds nickte einen wortlosen Gruß. Wesentlich rascher als gewohnt nahm er Platz, dann drückte er den Knopf, der das
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