Die Ehre der MacKenzies (German Edition)
Zane draußen frustriert einen lauten Fluch ausstieß und mit der Faust gegen die Tür schlug.
Schwach lehnte Barrie sich mit dem Rücken an die Kabinenwand. Ihre Hände zitterten. Grundgütiger, sie hätte nie gedacht, dass jemand so wütend sein konnte. Zane war bis zur Weißglut gereizt. Wahrscheinlich hechtete er bereits die Treppen hinunter. Einundzwanzig Stockwerke hatte er vor sich, und selbst er würde mit dem Aufzug nicht mithalten können. Es sei denn, der Lift hielt auf dem Weg nach unten an, um noch andere Fahrgäste mitzunehmen.
Bei der Vorstellung wollten Barrie die Knie nachgeben. Gebannt starrte sie auf die aufleuchtenden Zahlen auf der Anzeigetafel und wagte nicht, zu atmen. Nur ein Halt, und Zane würde sie auf der Straße abfangen. Zwei Stopps, und er würde ihr noch in der Lobby gegenüberstehen.
Sie würde sich seiner Wut stellen müssen. Noch nie hatte Barrie solche Angst gehabt. Nein, verlassen würde sie Zane nicht, das war nie ihre Absicht gewesen. Wenn sie ihren Vater erst gewarnt hatte, würde sie in die Suite zurückkehren. Dass Zane ihr gegenüber gewalttätig werden könnte, befürchtete sie nicht. Er würde niemals die Hand gegen sie erheben. Aber dieses Wissen war Barrie im Moment überhaupt kein Trost.
Sie hatte sich immer gewünscht, dass er endlich einmal die Kontrolle verlieren würde, nicht nur im Bett. Himmel, wie hatte sie sich nur so etwas Dummes wünschen können? Ihr wurde übel. Niemals, niemals wieder wollte sie Zane so sehen!
Gut möglich, dass er ihr nicht vergab. Vielleicht hatte sie sich gerade jede Chance zerstört, seine Liebe zu gewinnen. Diese Erkenntnis lastete schwer auf Barries Schultern, den ganzen Weg hinunter in die Hotellobby – ohne Zwischenstopps.
Das Klimpern der Einarmigen Banditen verstummte nie in Las Vegas, ganz gleich zu welcher Tageszeit. Barrie hastete durch die Reihen der Spielautomaten und hinaus auf die Straße.
Die Sonne stand gleißend am Himmel. Auch wenn es erst Morgen war, herrschten draußen bereits gute dreißig Grad. Barrie mischte sich unter den Touristenstrom, der den Bürgersteig bevölkerte. Sie wagte es nicht, sich umzudrehen und zurückzublicken. Ihr rotes Haar würde leicht auszumachen sein, selbst in einer Menschenmenge, also musste sie vor jemandem gehen, der größer war als sie. Zane würde mittlerweile die Lobby erreicht haben. Er würde den Blick über die Spieler gleiten lassen, dann hinaus auf die Straße stürzen.
Barrie ging weiter. Ihre Brust schmerzte, und ihr wurde bewusst, dass sie schon wieder den Atem anhielt. Hastig holte sie Luft. Umdrehen würde Barrie sich nicht, sie befürchtete, dann ihrem großen, dunkelhaarigen, unendlich wütenden Mann gegenüberzustehen. Und weglaufen vor ihm konnte sie nicht, er war schneller.
Sie überquerte eine Straße, dann noch eine. Jetzt konnte sie nach einer Telefonzelle suchen. Die gab es hier zuhauf, nur … alle waren besetzt. Was hatten so viele Touristen ausgerechnet um diese frühe Zeit am Telefon zu besprechen? Barrie wartete ungeduldig neben einem Telefon, während eine alte Dame mit eisblauem Haar und Stützstrümpfen irgendjemandem am anderen Ende lang und breit erklärte, wann der Goldfisch zu füttern, die Katze hinauszulassen und die Topfpflanzen zu gießen seien.
Die Sonne brannte Barrie auf den Kopf, doch schließlich legte die alte Dame auf und verabschiedete sich mit einem Lächeln und einem fröhlichen: „Viel Spaß noch, Herzchen!“
Das Lächeln war so nett und so unerwartet, dass Barrie fast in Tränen ausgebrochen wäre. Sie nahm sich zusammen, lächelte zurück und trat an das Telefon, bevor jemand sich vordrängeln konnte.
Sie steckte ihre Telefonkarte in den Schlitz und betete, ihr Vater möge zu Hause sein, während sie auf das Rufzeichen lauschte. An der Ostküste war es schon Mittag. Vielleicht war er zum Lunch ausgegangen. Oder er spielte Golf. Er konnte überall sein! Vergeblich versuchte Barrie, sich an seinen Terminkalender zu erinnern. Während der letzten beiden Monate war ihre Beziehung zueinander so angespannt gewesen, dass sie nichts mehr über seine gesellschaftlichen Verabredungen wusste.
„Hallo?“
Das klang so unsicher, so leise, dass Barrie die Stimme ihres Vaters nicht erkannte.
„Hallo?“, ertönte es erneut, sogar noch nervöser.
Barrie presste den Hörer an ihr Ohr. „Daddy“, sagte sie erstickt. Wie lange hatte sie ihn nicht mehr „Daddy“ genannt? Die Angst ließ die kindliche Anrede über ihre Lippen kommen
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