Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
heftig den Kopf.
     »Nein, das geht nicht! Der lange Berg liegt genau zwischen Udos Lager und dem Dorf. Wenn ich der Heerführer wäre, würde ich dort oben meinen Beobachtungsplatz beziehen und von dieser Stelle aus den Angriff leiten.«
     Rapak konnte allerdings nicht ahnen, dass Udo dies nicht tun würde. Um auf den steilen Hügel zu gelangen, hätte der Ritter von seinem Pferd absteigen müssen. Dies war jedoch weit unter seiner Würde. Vielleicht wäre der Kampf allerdings ganz anders verlaufen, wenn sich der Anführer dazu überwunden hätte.
     Abschätzend musterte Rapak seinen kleinen Freund.
     »Kannst du klettern?«
     Thietmar schluckte, würgte und brachte ein kaum verständliches »Natürlich!« hervor.
     Etwas skeptisch zuckte Rapak mit den Schultern.
     »Na gut, versuchen können wir es zumindest«, machte er schließlich ein Zugeständnis.
     »Rechter Hand, vom Dorf aus gesehen, steht eine uralte hohe Erle. Wenn wir uns in ihrer Krone verbergen, haben wir einen guten Überblick.«
     »Warst du denn schon einmal oben?«, wollte Thietmar neugierig wissen, wobei er sich eifrig die Finger schleckte.
     »Bis jetzt noch nicht«, schüttelte Rapak verneinend den Kopf.
     »Und warum nicht?«
     »Nun ja, also …«, folgte die Antwort etwas zögerlich, »die Alten aus meinem Dorf erzählen immer, dass die ältesten Bäume meistens von allerlei Geistervölkern bewohnt werden. Und der Baum, auf den wir hinaufwollen, der ist in der Tat sehr alt. Die Dorfältesten behaupten sogar, dass der Baum bereits eine mächtige Erscheinung war, bevor mein Volk in dieser Gegend sesshaft wurde. Und das ist mindestens zwölf oder fünfzehn Generationen her, so genau weiß ich das nicht. Die alte Erle ist also sozusagen fast so etwas wie ein Heiligtum.«
     Thietmar schluckte die letzten Bissen hinunter und blickte Rapak mit vor Schreck geweiteten Augen an.
     »Dann wohnen womöglich gar hinterlistige Kobolde, böse Dämonen oder vielleicht sogar kleine Elfchen in der Baumkrone?«
     Rapak zuckte mit den Schultern.
     »Gesehen habe ich noch keine, aber möglich wäre das schon. Unser Krieve legt auch jedes Jahr nach der Ernte Opfergaben an den Fuß des Baumes: Gerste, Hirse, Bohnen. Und auch ein Schälchen mit Met ist stets dabei, wenn du verstehst, was ich meine. Und die Opfergaben sind dann meistens am anderen Morgen alle verschwunden. Dies bedeutet dann immer, dass die Baumgeister uns für das kommende Jahr wohlgesonnen sind und uns keinen Schabernack spielen, nicht die Ernte verderben oder gar das Vieh mit Krankheiten schlagen.«
     »Und …, und da wollen wir hinauf?«, fragte Thietmar entsetzt.
     Sich mit bösen Kobolden gemeinsam auf einen Ast zu setzen, das fehlte ihm grade noch. Sofort fielen dem Knaben mindestens ein halbes Dutzend Geschichten ein, in denen böse Geister kleine Kinder auf Nimmerwiedersehen in ihr Reich entführt hatten. Einem finsteren Zauberreich, wo nur das Recht und die Ordnung der bösen Gnome galten, wo die entführten Kinder stets nur als Sklaven bis an ihr Lebensende schuften mussten. Was für eine grauenhafte Vorstellung!
     Unterdessen waren sie schon ein gutes Stück vorangekommen und Thietmar war so in seine Gedanken vertieft, dass er überhaupt nicht mehr auf die Umgebung achtete.
     »Achtung, duck dich!«, stieß Rapak plötzlich einen leisen Warnruf aus und riss Thietmar zu Boden. In knapp dreißig Schritten Entfernung marschierten zwei stiernackige Knechte, mit langstieligen Äxten bewaffnet, mitten durch den Wald. Da ihre Aufmerksamkeit nur den Bäumen galt, bemerkten sie die erschrockenen Knaben nicht.
     Flach auf den Boden liegend krochen Rapak und Thietmar vorsichtig etwas zurück, bis sie im Schutz eines dichten Gestrüpps Deckung fanden.
     »Auwei, das war aber knapp«, flüsterte Thietmar leise.
     Rapak legte indes nur warnend den Zeigefinger auf den Mund und deutete gestenreich ihr weiteres Vorgehen an. Sodann erhoben sie sich gleichzeitig und schlichen geduckt in die zuvor bezeichnete Richtung. Schließlich waren sie weit genug von den Holzfällern entfernt, dass sie ihre Richtung erneut ändern konnten und sich dem Dorf nun von der entgegengesetzten Seite her näherten. Die Schläge der Waldarbeiter hallten nur noch stark gedämpft zu ihnen herüber. Eine zufällige Entdeckung wurde immer unwahrscheinlicher.
     Als die Knaben endlich ihr Ziel erreicht hatten, hörten die Schläge gänzlich auf. Offenbar war genug Holz für den geplanten Angriff geschlagen

Weitere Kostenlose Bücher