Die Ehre der Slawen
angestochener Wisentbulle vor die Hütte.
»Ich halt das nicht mehr aus!«, brüllte er so lautstark über den Lagerplatz, dass auch die letzten Schläfer aufgeschreckt hochfuhren.
»Dieser bestialische Gestank bringt den stärksten Mann um den Verstand! Wie ist es nur möglich, dass es in dieser verkommenen Barbarenhöhle so entsetzlich nach Aas stinken kann?«
Paddie und Bikus riskierten einen vorsichtigen Blick um die Hausecke.
Halb abgewandt stand dort breitbeinig der Edle und schäumte vor Wut. Sein Gesicht war von aschfahler Blässe und um seine geschwollenen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet. Mit bebender Brust atmete er tief die frische Luft ein. Zornentbrannt griff er sich einen Becher, um den widerlichen Geschmack herunterzuspülen, der wie fauliges Fleisch an seinem Gaumen klebte. Als er aber nirgendwo den Krug entdecken konnte, schleuderte er das irdene Gefäß derart wütend gegen die Hauswand, dass es in tausend Stücke zersprang.
»Höllenpfuhl und Fegefeuer! Nie wieder will ich meinen Fuß über jene Schwelle dort setzen! Diese schmutzigen Barbaren hinterlassen wahrlich einen Gestank, dass es einem die Sinne raubt.«
Ziemlich ratlos drehte sich Bikus zu Paddie um. Dieser hatte allerdings schon längst erkannt, was das edle Näschen des feinen Ritters so gereizt hatte. Es war der große, fette Brassen, den er vor ein paar Tagen unter der Ruhestätte des Töpfers verborgen hatte. Mittlerweile musste der Verwesungsprozess schon eingesetzt haben, sodass der Fisch in der Tat entsetzlich sticken würde, besonders unter dem Kopfende eines Nachtlagers.
Völlig ahnungslos rüttelte Bikus seinen Freund, der sich, beide Hände auf den Mund gepresst, vor Lachen auf dem Boden krümmte. Paddie ließ sich aber so einfach nicht beruhigen. Der Streich mit dem großen Fisch, der eigentlich dem garstigen Töpfer galt, hatte einen viel schlimmeren Menschen erwischt. Na, wenn dies keine göttliche Fügung war.
Derart abgelenkt merkten die beiden Freunde nicht, wie sich plötzlich ein Halbkreis kräftiger Männer um sie herumbildete. Erst als eine raue Stimme sie ansprach, schreckten sie auf:
»Sieh an, sieh an! Wen haben wir denn da?«
Mit schnellen Schritten kam Udo um die Hausecke gelaufen, schob die Waffenknechte beiseite und baute sich breitbeinig vor den beiden Knaben auf. Die nässende Narbe auf seiner Wange zuckte, als er den Korb mit Räucherfischen und den vollen Metkrug sah. Paddie versuchte sich nun endlich zusammenzureißen und wischte die Tränen aus den Augen.
Als er jedoch wieder klar sehen konnte und der nackten, schwarz behaarten Waden angesichts wurde, die so ganz und gar unritterhaft aus dem langen grauen Nachtgewand herausragten, war es abermals um ihn geschehen. Er wurde von einem erneuten Lachkrampf geschüttelt, der genauso heftig war als wie der vorgehende.
Da Udo den wahren Grund von Paddies Lachen nicht kannte, missverstand er die Situation völlig. Vielleicht war dies sogar Paddies Glück, denn wer weiß, wie der Edle reagiert hätte, wenn er den wahren Verursacher des Gestankes erkannt hätte. Aber auch so reizte ihm das Gelächter dieses Heidenbalgs schon genug, dass er ausholte und Paddie eine schallende Ohrfeige verpasste.
»Dir werd’ ich helfen, du freche Göre! Sich über einen frommen Christenmenschen lustig machen, das könnte dir so passen, was?«
»Aber …, aber …«, stammelte Paddie und rang immer noch mühsam um seine Beherrschung, wobei er sich seine schmerzende Wange massierte.
»Und ein gemeines Diebesvolk seid ihr außerdem auch noch!«, fuhr Udo ihn erneut an, wobei er auf die Fische und den Honigwein wies.
»Weißt du auch, was wir mit solch Ungeziefer machen, das sich am Eigentum ehrenhafter Leute vergreift?«
Paddie, der jetzt endlich den vollen Ernst der Situation begriffen hatte, schüttelte verneinend den Kopf.
»So, du weißt es also nicht«, lachte Udo nun seinerseits lauthals auf und blickte sich triumphierend um.
»Dann will ich es dir verraten, du räuberischer Bastard! Mit Diebsgesindel, wie ihr es seid, machen wir kurzen Prozess. Beim ersten Male schneiden wir die böse Diebeshand ab. Beim zweiten Male die andere. Und wird er gar ein drittes Mal erwischt, dann stellen wir seinen Kopf auf einer langen Stange zu Schau. Sozusagen als Ermahnung für alles andere Diebsgesindel.«
Lauthals lachend wandte sich Udo ab und gab seinen Soldaten ein Handzeichen.
»Bindet das diebische Pack und schafft es
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