Die Ehre der Slawen
nicht davonkommen konnte. Und letztlich, irgendwann musste er sowieso Farbe bekennen. Also warum nicht jetzt gleich. Nach einem tiefen Seufzen war er bereit, ein Geständnis abzulegen.
»Also gut, ihr gebt ja sowieso nicht eher Ruhe.«
Abermals holte er tief Luft, senkte verlegen seinen Kopf und begann zu erzählen: »Früher, da habe ich geglaubt, dass es nicht von Schaden sein kann, wenn ich neben all unseren vielen Göttern auch den gütigen Gott der Christen um Beistand bitte. Mein Vater hatte von seinen Reisen viele unglaubliche Geschichten mitgebracht, die er mir manchmal abends vor dem Schlafengehen erzählte. Er berichtete mir, wie Jesus, der Sohn des Christengottes, auf wundersame Weise Kranke heilen konnte. Der Gottessohn machte Blinde sehend und Lahme wieder gehend. Außerdem soll er von so unglaublicher Sanftmut gewesen sein, dass sogar die scheuesten Tiere keine Angst mehr vor ihm hatten. Und letztendlich nahm er alle schlechten Dinge dieser Welt auf sich, um dann dafür zu sterben. Er opferte sich für alle Menschen auf dieser Welt, nicht nur für jene, die an seinen göttlichen Vater glaubten, sondern wirklich für alle Menschen. Und da hatte ich gedacht, wenn er sich auch für mich opferte, dann muss es ein Guter gewesen sein. Und jetzt sitzt der Gottessohn wohl wieder im Himmel, neben seinem Vater und schaut auf uns herab, ob wir uns auch alle wohlverhalten.«
»Und woher hast du das Kreuz mit der Kette?«, fragte Kosi, als Rapak eine kleine Pause einlegte.
»Das Kreuz gehörte meiner Mutter. Sie wuchs, wie ihr ja wisst, in der großen Stadt des heiligen Konstantins auf. Meine Mutter war eine Christin.«
»Hat dir das dein Vater erzählt?«
»Ja. Aber mein Vater hat auch erzählt, dass dies wohl der Grund war, warum sie so früh sterben musste.«
»Aber warum denn das?«
»Weil hier, in unserem Lande, andere Götter herrschen. Und wenn man nicht zu diesen Göttern steht, so wie es meine Mutter wohl nicht zur Genüge getan hatte, dann wird man von ihnen bestraft. Also musste meine Mutter sterben.«
Endlich war es heraus, das kleine, aber schwer lastende Geheimnis, was ihren Freund Rapak schon seit vielen Jahren bedrückt haben musste.
»Ich glaube nicht«, begann Paddie laut zu überlegen, »dass unsere Götter deine Mutter bestraft hatten.«
»Ach so? Und warum sollten sie es nicht?«
»Na, dann überleg doch mal! Ständig ziehen diese Christenpriester durch unser Land und behaupten, dass es unsere Götter in Wirklichkeit gar nicht gibt. Und? Wurde jemals einer von ihnen durch einen himmlischen Blitz erschlagen oder hat sich gar die Erde aufgetan, um ihn zu verschlingen? Ganz das Gegenteil ist der Fall. Unsere Götter lassen es sogar zu, dass diese Priester sich mancherorts einen Tempel errichteten. Und da sollten sie ausgerechnet deine Mutter bestrafen, die doch gar nichts anderes wollte als in unserem Lande friedlich zu leben? Nein, daran kann ich nicht glauben. So unbarmherzig sind unsere Götter nicht.«
In Rapaks Gesicht erschien ein gequältes Lächeln.
»Genau das versuchte ich mir bisher auch ständig einzureden. Leider klappt es aber nicht immer, wie jetzt gerade zum Beispiel.«
Kosi hielt Paddies Hand vor Rapaks Nase.
»Willst du das Kreuz nicht doch wieder an dich nehmen?«
»Nein! Der Gott der Christen muss blind und taub geworden sein, wenn er so viel Unrechtes geschehen lässt. Womöglich gibt es ihn schon lange nicht mehr und alle an ihn gerichteten Gebete verlieren sich einfach im Wind.«
Kosi überdachte die gehörten Worte kurz und zog dann Paddies Hand zurück.
»Gut, wie du willst. Aber du gestattest doch, dass ich deinen kleinen Glücksbringer für dich aufhebe? Wenn du es dir einmal anders überlegen solltest, kannst du ihn ja wiederhaben.«
»Von mir aus«, winkte Rapak geringschätzig ab.
Endlich ließ Kosi Paddies Hand los, um das silberne Kreuz wieder in den Beutel zu stecken. Voller Erleichterung atmete Paddie auf und wischte sich, immer noch arg verlegen, seine schweißnasse Hand am Hosenboden trocken. Jetzt, wo ihn Kosi nicht mehr festhielt, beruhigte sich sein Herz etwas und auch der Druck in seinem Kopf ließ langsam nach. Seine kleine Verschnaufpause währte indes nicht lange, denn kaum hatte die junge Frau das Beutelchen wieder verschnürt, hakte sie sich an seinem Arm fest. Mit großen Augen blickte sie ihn an, streichelte leicht über seinen sehnigen Oberarm und flüsterte: »Und was ist nun mit unserer
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