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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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wahrlich alle Wundmittel dabei, als wollten sie geradewegs in eine blutreiche Schlacht ziehen.
     Mit von Tränen verschleierten Blicken, hilflos, schweigend und am ganzen Körper zitternd, ließ Paddie die Fremden gewähren, die etwas von der Kunst des Heilens zu verstehen schienen. Als die Reiter in unglaublich kurzer Zeit ihr Werk vollbracht hatten, wischte Paddie sich das Wasser aus den Augen, fiel vor seiner Schwester auf die Knie und tastete nach ihren Händen. Dusas Finger fühlten sich heiß und feucht an, als er sie behutsam aufnahm. Ihre kleinen Händchen waren immer noch zu Fäusten geballt und hielten in der einen den abgebrochenen Stock und in der anderen ein kleines Messer fest umklammert.
     Es war dasselbe Messer, mit dem Paddie seine Schwester zum Schafehüten überredet hatte, jenes, das seinen Besitzer angebliche Unbesiegbarkeit verleihen sollte. Behutsam öffnete Paddie die kleinen Händchen und entfernte beides.
     Von tiefen Gewissensgebissen geplagt senkte er voller Reue sein Haupt und begann leise zu beten: »Oh große Jägerin, verzeih mir, dass ich Deinen Namen so schändlich missbraucht habe. Ich kann auch verstehen, dass Du zornig geworden bist und Deine Strafe nun auf meine Familie schmetterst. Aber der allein Schuldige bin doch ich. Warum bestrafst Du meine kleine Dusa, die doch überhaupt nichts dafür kann? Wenn Du also jemanden bestrafen willst, dann bestrafe mich und verschone all die anderen Unschuldigen.«
     Paddie blickte auf und sah genau in die Augen des Greifvogels, der sich in seinem Netz etwas beruhigt hatte und ihn mit aufmerksamen Blicken unentwegt anstarrte. Es kam ihm vor, als ob die Jagdgöttin selbst ihn durch die scharfen Adleraugen beobachtete und auf irgendetwas wartete.
    Als ob der Vogel seine Gedanken erraten hätte, riss er wie zur Bestätigung seinen Schnabel weit auf und ließ einen gellenden Schrei über die Wiese hallen.
     Paddie erahnte, was die große Jägerin nun von ihm erwartete. Er ließ die Hände seiner Schwester los und erhob sich langsam. Mit vorsichtigen Schritten trat er auf den lauernden Vogel zu und befreite ihn vorsichtig aus seiner Gefangenschaft. Wie durch ein Wunder ließ der Adler alles mit sich geschehen, hielt still und hackte auch nicht nach Paddies Hände, als diese ihm vorsichtig das Netz vom Kopf zogen. Statt sich jedoch sofort in die Lüfte zu erheben, blieb der Adler ruhig sitzen und ließ seinen Befreier nicht aus den Augen. Er schien immer noch auf etwas zu warten. Sein Kopf ruckte herum, verweilte kurz auf dem verendeten Schaf und starrte dann erneut in Paddies Augen.
     Abermals glaubte der Junge, das Richtige zu erraten. Er schritt langsam auf das tote Schaf zu und schnitt ein großes Stück Fleisch heraus. Das Fleisch war warm und blutig, als Paddie es von der Keule trennte und die wollige Haut abzog. Leicht gebückt ging er damit vorsichtig zum wartenden Vogel zurück und hielt ihm das gut vier Pfund schwere Stück mit beiden Armen entgegen.
    Für einige Sekunden passierte gar nichts. Der Adler ruckte nur seinen Kopf leicht hin und her, als begutachtete er das ihm dargebotene Opfer. Dann jedoch schlug er ein paar Mal kräftig mit den Flügeln, sprang in die Höhe, krallte seine langen Fänge blitzschnell in den Fleischbrocken und entriss ihn Paddies Händen. Abermals hallte der laute Adlerschrei über die Wiese, als der Vogel sich mit seiner Beute zufrieden in die Lüfte erhob. Drei Mal kreiste er noch über ihren Köpfen, bis er mit kräftigen Flügelschlägen hinter den Baumwipfeln verschwand. Erleichterung breitete sich in Paddie aus. Die mächtige Jägerin hatte das Opfer angenommen und zürnte ihm nun bestimmt nicht mehr.
     »Paddie«, rief eine schwache Mädchenstimme.
     Sofort war der Gerufene zur Stelle und hockte sich neben seiner kleinen Schwester zu Boden.
     »Paddie«, flüsterte Dusa zu ihm, »dein Zaubermesser hat mich beschützt, nicht wahr?«
     Fast wollte der große Bruder verneinen, als er sich eines Besseren besann.
     »Ja, Schwesterchen, es wäre sonst bestimmt alles noch viel schlimmer gekommen.«
     »Ich weiß«, seufzte Dusa und legte ihren Kopf auf die ausgestreckte Hand von Bikus Brüderchen zurück, der zärtlich mit der anderen durch ihre weichen Locken strich.
     »So Swarozyc es will, wird deine Schwester bald wieder gesund werden«, sagte plötzlich eine tiefe, raue Männerstimme hinter Paddie.
     »Sie wird ein Leben lang tiefe Narben behalten. Jedoch scheinen, wie durch ein Wunder, keine

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