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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Hundert Schritte von der Schafweide entfernt, aber der Boden war feucht und nachgiebig. Bei jedem ihrer Schritte versanken die Füße schmatzend bis über die Knöchel im Morast. Durch die dichten Uferbüsche wand sich zudem nur ein schmaler verwachsener Pfad, der sie zu einem regelrechten Gänsemarsch zwang.
     Entsetzt blieb Paddie stehen, als er durch eine Lücke in den Zweigen sehen konnte, wie der Greifvogel seine Kreise immer enger zog. Ein hungriger Adler auf Beutesuche schlussfolgerte er sofort. Außerdem war es ein so unglaublich großer Adler, so stark und mächtig, wie ihn weder er noch einer seiner Freunde jemals zu Gesicht bekommen hatte. Und dieser Adler hatte offensichtlich seine Beute gefunden.
     Paddie hatte einmal gehört, dass ein so großer Adler sogar in der Lage sein sollte, einen starken Wolf zu reißen. Vor seinem messerscharfen Schnabel und den kräftigen Fängen sollte man sich sehr wohl in Acht nehmen. Wie es im Moment aussah, bestand also nicht nur höchste Gefahr für die Schafherde, sondern auch für die kleine Kinderschar, die Paddie mit seiner kleinen List zum Hüten überredet hatte.
     »Los, schnell hin«, riefen Paddie und Rapak gleichzeitig und stürmten das seichte Ufer entlang. Der schwarze Matsch spritze ihnen bis zu den Ohren hoch und beschmutzte sie im Nu vom Kopf bis zu den Füßen. Klebrige Spinnenfäden verfingen sich in ihren Gesichtern und wurden gemeinsam mit den schwarzen Schlammspritzern zu einer unansehnlichen Gesichtsmaske.
     Bikus folgte den beiden Freunden schnaufend und konnte kaum Schritt halten. Seinen großen Korb, mit Netz und Fischen, warf er sich mit einer Hand auf den Rücken und hielt krampfhaft dessen Rand fest. Wie ein wilder Ochse, den Kopf gesenkt, walzte er den Pfad entlang, ohne auf die peitschenden Äste Rücksicht zu nehmen.
     Schon nach kurzer Zeit erreichten Paddie und Rapak die Wiese und blieben keuchend für einen Augenblick stehen, um sich einen Überblick zu verschaffen.
     Innerhalb der kurzen Zeitspanne, zwischen der ersten Adlersichtung und ihrem Eintreffen, hatte sich die friedliche Wiese in ein regelrechtes Kampffeld verwandelt. Laut blökend waren die Schafe panikartig in alle vier Himmelsrichtungen auseinandergelaufen. Die Mehrzahl der kleinen Kinder hatte sich laut schreiend hinter den Bäumen versteckt.
    In der Mitte der Wiese aber lag ein zuckendes Schaf, über und über mit Blut besudelt. Und auf dem Schaf saß flügelschlagend der große Raubvogel, stieß heiser klingende Schreie aus und hackte mit dem Schnabel in Richtung zweier Kinder, die das hungrige Tier mit langen Ästen zu verjagen suchten. Der Adler hatte das größte Schaf der Herde geschlagen. Es war aber natürlich viel zu schwer, um sich damit in die Lüfte zu erheben. Freiwillig aufgeben wollte er seine Beute aber nicht. Die verzweifelten Versuche der zwei kleinen Kinder reizten ihn außerordentlich.
     Entsetzen befiel die Freunde, als sie sahen, welche Größe der Adler tatsächlich besaß. Er war viel größer als die wohlbekannten Fischadler, die zu Dutzenden an den Ufern der Morcze nisteten. Es konnte sich demnach nur um den König der Lüfte handeln, den in ihrem Lande nur selten vorkommenden Steinadler. Von diesem göttlichen Tier wurde an den abendlichen Lagerfeuern nur mit Ehrfurcht gesprochen. Unendlich viele Geschichten rankten sich um den heiligen Vogel, der von den Slawen verehrt wurde, wie kaum ein zweites Tier.
     Die Schrecksekunde der zwei Freunde währte indes nicht lange, als sie die mutigen Kinder erkannten. Es waren Paddies Schwester und Bikus jüngster Bruder.
     Schwer atmend gesellte sich in diesem Moment Bikus zu ihnen und ließ vor Schreck den Korb fallen. Paddie und Rapak ergriffen die Initiative. Ob es sich nun um ein göttliches Tier handelte oder nicht, die Kinder waren in höchster Gefahr und dies gab den Ausschlag. Rapak rannte mit weit ausgebreiteten Armen auf den Adler zu, während Paddie in aller Eile das Netz aus Bikus Korb riss und es noch im Laufen entfaltete.
     Paddies Schwester Dusa hatte sich indessen zu weit vorgewagt. Der Adler bekam ihren Stock mit dem Schnabel zu fassen und ruckte einmal kräftig daran. Laut knackend zerbrach der Ast. Das kleine Mädchen wurde durch den plötzlichen Schwung nach vorn gerissen und verlor das Gleichgewicht. Mit ausgestreckten Armen fiel sie bäuchlings direkt vor dem Vogel ins Gras. Es bedurfte nur eines kurzen Flügelschlages, der Adler sprang auf die Schultern des kleinen Störenfrieds

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