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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Kampf vom Fressen-und-gefressen-werden hin. Farbenprächtige Libellen surrten in einem irrwitzigen Zickzackkurs dicht über das Schilf hinweg und vollführten in den letzten Strahlen der Abendsonne wahre Flugkünste. Dicht am Ufer wiegten sich träge Mückenschwärme.
     Die Sonne stand nur noch zwei Handbreit über dem jenseitigen Ufer der Feisneck, als die drei Freunde endlich ihren recht mageren Fischzug abbrachen. Enttäuscht warfen Rapak und Bikus einen letzten Blick in den Weidenkorb, auf dessen Boden ein fetter Brassen und ein paar kleine Plötze lagen.
     »Bestehen fast nur aus Gräten und Schuppen«, beschwerte sich Bikus und rieb sich seinen knurrenden Magen.
     »Ja, grade mal noch gut genug fürs Federvieh«, ergänzte Rapak verächtlich und klatschte nach einigen Mücken, die sich auf seinem nackten, sonnengebräunten Oberkörper niederlassen wollten.
     Paddie enthielt sich eines Kommentars und schwieg. Er begann plötzlich, sich Gedanken über seine kleine Schwester zu machen. Viel zu lange schon war er mit seinen beiden Freunden am Schilfrand entlanggewatet, um den Fang seines Lebens zu machen. Aber weder der große Wels noch der alte Hecht hatten sich blicken lassen. Manchmal glaubten die Freunde einen großen dunklen Schatten im Wasser zu sehen, aber so oft sie auch ihr Netz warfen, die Enttäuschung war von Mal zu Mal größer geworden. Vom anfänglichen Jagdfieber gepackt, verrann der Nachmittag wie im Fluge, und sowohl Paddies kleine Schwester als auch die dummen Schafe rückten in weite Ferne. Nun aber, kurz vor dem Sonnenuntergang, begannen sich in Paddie Gewissensbisse zu regen. Hatten die Kleinen, die nicht älter als fünf und sechs Jahre alt waren, auch gut aufgepasst? War die Herde noch beisammen oder waren gar einige Tiere in den Wald gelaufen? Auwei, das würde aber mächtigen Ärger mit seinem Vater geben, wenn ein Schaf fehlen würde.
     Paddies Vater besaß zwar zwei annähernd gleich große Herden, aber den Verlust auch nur eines einzigen Tieres, den würde er sofort bemerken. Außerdem gehörte der Vater zu den angesehensten Kmeten des Dorfes und war sehr auf seinen guten Ruf bedacht.
    Wenn sich nun erweisen sollte, dass sein eigener Sohn nicht in der Lage war, die Schafe zu hüten, dann machte er sich sicherlich zum Gespött der Leute.
     Zu den Kmeten zählten bei den Slawen jene freien Bauern, die es zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht hatten. Sie besaßen ein Mitspracherecht in allen wichtigen Stammesangelegenheiten und ohne ihre mehrheitliche Zustimmung träfe ihr Fürst niemals eine wichtige Entscheidung.
     Ihre bescheidene Schafzucht brachte Paddies Familie zwar keine großen Reichtümer ein, aber es ging ihnen immerhin so gut, dass sie einen freien Knecht, einen Cholp, ernähren konnten. Der Cholp Stephan wurde von Paddies Familie wie ein Angehöriger behandelt und lebte mit ihnen unter demselben Dach. Er war mit sich und der Welt zufrieden und tat seine Arbeit gerne und bereitwillig.
     Unwillkürlich beschleunigte Paddie seine Schritte.
     »He, was ist mit dir?«, rief Rapak von hinten und versuchte zum vorauseilenden Freund aufzuschließen. Als er mit Paddie fast auf gleicher Höhe war, hatte er bereits den Grund erraten und versuchte seinen Freund nun zu beruhigen: »Machst du dir etwa Sorgen wegen der faulen Grasfresser?«, fragte er grinsend und hieb seinem Freund kameradschaftlich auf die Schulter, dass dieser fast das Gleichgewicht verlor.
     »Ja«, ächzte Paddie und stolperte drei Schritte voraus.
     »Aber warum denn nur? Hast du etwa Angst, dass der kleine Mückenschwarm nicht ordentlich aufgepasst hat? Wegen der Raubtiere brauchst du dir jedenfalls noch keine Sorgen machen, denn die kommen erst aus ihren Höhlen gekrochen, wenn die Sonne untergegangen ist.«
     »Eben deswegen!«, entgegnete Paddie und wies mit dem rechten Arm zur sinkenden Sonne.
    »Ach was«, beschwichtigte Rapak seinen Freund, »es ist doch noch viel zu hell für das Raubzeug und außerdem sind wir ja gleich da. Ich habe …«
     Abrupt brach der schwarzhaarige Junge ab und ließ das Ende seines Satzes offen. Ein riesiger schwarzbrauner Vogel mit einem großen scharfen Schnabel und gefährlich langen Krallen segelte im tiefen Gleitflug über ihre Köpfe hinweg und hielt genau auf jene Stelle zu, wo Paddies Herde graste. Der Raubvogel flog gerade noch hoch genug, dass die Jungs sehen konnten, wie er über der besagten Stelle zu kreisen anfing. Zwar waren die Freunde nur noch ein paar

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