Die Ehre der Slawen
fragte Rapak entgeistert.
»Komm schnell«, flüsterte Paddie, »hilf mir suchen! Hier irgendwo muss Bikus Korb mit den Fischen stehen.«
»Was um alles in der Welt willst du denn jetzt mit den Fischen?«, seufzte Rapak.
»Ach, mir ist da gerade so eine Idee gekommen«, frohlockte Paddie.
»Eine Idee?«
»Ja, wie ich dem Töpfer eins auswischen kann.«
»Dem Töpfer?«, fragte Rapak.
»Natürlich dem Töpfer, wem denn sonst! Oder hast du nicht mitbekommen, wie er meinem Vater geraten hatte, er solle mir kräftig das Fell gerben?«
»Ach so«, tat Rapak, als ob er Paddies Gedanken erraten hätte.
Da sie nur der Nase nachgehen brauchten, war Bikus Fischkorb schnell gefunden. Paddie langte hinein und zog den großen goldfarbenen Brassen vom Nachmittag heraus. Triumphierend hielt er ihn Rapak vor die Nase.
»Puh, der fängt ja schon an zu stinken«, wedelte sein Freund mit der Hand.
»Gut, sehr gut sogar«, entgegnete Paddie grinsend, »der ist grade richtig so für unseren lieben Tonkneter!«
Langsam dämmerte es Rapak: »Mensch Paddie, du bist genial!«
Im leichten Dauerlauf verließen sie ihr Dorf und rannten den Pfad am Wasser entlang, zur nahen Siedlung »Schönes Feld«, in welcher der Töpfer wohnte. Schnell hatten sie das halbe dutzend Häuser erreicht, die an einem kleinen Seitengewässer der Feisneck errichtet waren. Aufgrund der Nähe zur Burg lohnte es nicht, die wenigen Gehöfte zu sichern, sodass sie faktisch für jedermann zugänglich waren.
Voller Vorfreude leise kichernd schlichen sie zum Haus des Töpfers, den sie ja beim Feiern auf der Insel wussten. Da ihr Opfer allein wohnte, brauchten sie auch keine Angst vor einer Entdeckung haben. Schnell huschten sie in seine Hütte hinein, wo Paddie sofort unter die Schlafstätte des Mannes kroch. Mit flinken Fingern fand er im Flechtwerk des Nachtlagers bald eine Stelle, an der sich die Ruten aufbiegen ließen. Dort hinein steckte er den Fisch, sodass er genau unter dem Kopfende verborgen war.
»So, aber nun lass uns den Rest der Nacht noch etwas ruhen«, wandte er sich nach getaner Arbeit grinsend an Rapak.
»Morgen, bei Sonnenaufgang, sollen wir doch auf die Schafsjagd gehen.«
*
Kapitel 7
Schwerfällig rumpelte der Wagentross den sandigen Waldweg entlang. Die Kronen der alten Bäume berührten sich dicht über den Planen, wurden eins und erzeugten das Gefühl, durch ein dämmeriges grünes Gewölbe zu reisen. Trockener Staub, durch das stampfen schwerer Hufe aufgewirbelt, zog langsam in die Höhe, breitete sich aus und hinterließ einen faden Geschmack auf der Zunge.
Zwei Dutzend Planwagen rollten langsam aber beständig in nordöstliche Richtung. Die schwitzenden Ochsengespanne lagen kräftig in den Jochen und hatten mit ihrer Last wenig Mühe. Ihre gemächliche Gangart ließ jedoch einiges zu wünschen übrig. Immer wieder knallten die Fuhrknechte mit den Peitschen kurz über die Köpfe der Tiere hinweg, um so ein Auseinanderfallen der Kolonne zu verhindern. Die Geschwindigkeit war es jedoch nicht, worauf es in erster Linie ankam. Viel wichtiger war es, dass die Wagen auch dann noch vorwärtskamen, wenn sie bis dicht unter die Plane beladen waren. Erst dann mussten die Ochsen zeigen, was wirklich in ihnen steckte.
Angeführt von der größten Kriegerschar, die Thietmar jemals mit eigenen Augen gesehen hatte, waren sie vor fünf Tagen aufgebrochen und hatten in der Nähe von Havelberg die Grenze zur Nordmark überschritten. Seitdem folgten sie dem Verlauf eines alten Handelsweges, der östlich am Kleinen Meer vorbei in Richtung Vineta führte.
Vineta – allein schon der Name der Stadt ließ Thietmars Augen vor Begeisterung leuchten. Vineta – die Perle am Östlichen Meer, eine Stadt voller Reichtum und Geheimnisse, das Tor zum Baltikum. Auf den Wochenmärkten der Stadt tauschten nicht nur die Wenden ihre Waren untereinander, sondern alle nördlichen Völker trafen sich dort zu einem regen Handel. Angefangen bei den Dänen, mit ihren großen Küstenseglern, über die nördlichen Wikinger, mit ihren schlanken Drachenbooten, bis hin zu den Pelztierjägern aus der eisigen Rus – eine unglaublich große Vielzahl von Menschen reichten sich dort die Hände. Fremde Völker, die Thietmar bisher nur aus den Erzählungen kannte. Wie gerne hätte er den magischen Geschichten über die mächtigen Schamanen der Rus gelauscht, von den Wikingern etwas über die großen alten Asen
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