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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Kaiser? Einer, der uns überhaupt nichts angeht?«
     Noch niemals zuvor hatte Paddie seinen Vater so erregt gesehen, geschweige denn ein leichtes Zittern in seiner Stimme wahrgenommen. Von der Feuerstelle drang ein leises Schniefen.
     »Vater, du weißt, dass ich meine Familie liebe. Aber warum willst du nicht begreifen, dass es für unser aller Wohl am besten ist, wenn ich mich dem Fürsten Mstislaw anschließe?«
     »Wirklich für unser aller Wohl?«
     »Aber natürlich! Hast du denn gestern Abend nicht gehört, was Sylnic von Pacelin sagte? ‘Wir wollen den Hass gegen die Deutschen endlich begraben und ihnen in Freundschaft die Hand reichen!’«
     »Oh du unwissender kleiner Junge! Was weißt du denn schon von den verfluchten Deutschen? Was weißt du von den unzähligen Kriegen, in denen die besten Söhne unseres Volkes einfach dahingemetzelt wurden?«
     Witka sprang auf: »Vater! Wann willst du endlich begreifen, dass ich kein kleiner Junge mehr bin. Ich bin fast neunzehn Jahre alt und so unwissend, wie du mich immer hinstellst, das bin ich schon lange nicht mehr!«
     »Setz dich!«, befahl das Familienoberhaupt mit schneidender Stimme.
     Nur widerstrebend folgte Witka dem Befehl seines Vaters. Provokatorisch ließ er sich auf die Bank fallen, verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust und fixierte einen nicht existierenden Punkt an, irgendwo unter dem Schilfdach des Hauses.
     Ein dunkler Schatten erschien in der offenen Tür. Der schweigsame Cholp Stephan betrat das Haus. Er warf eine kleine Holzschale in den Kornsack, woraus er die Hühner gefüttert hatte und blickte lächelnd in die Runde. Seine Miene erstarrte jedoch augenblicklich, als er die geladene Stimmung wahrnahm. Zwei Schritte rückwärtsgehend stellte er sich hinter den Sack und machte ein bekümmertes Gesicht.
     Der alte Kmete hingegen stieß geräuschvoll die Luft aus und versuchte sich zu beruhigen. Schweren Schrittes ging er um seinen uneinsichtigen Ältesten herum und setzte sich schließlich ihm gegenüber an den Tisch.
     »Also gut, du bist kein kleiner, dummer Junger mehr«, gestand er seinem Sohn zu.
     »Nein, das bin ich nicht!«
     Ein unangenehmes Schweigen drückte die geladene Stimmung auf einen Tiefpunkt, der nur von einem leisen Klappern an der Feuerstelle unterbrochen wurde. Bestürzt merkte Paddie, wie sich seine Mutter mit dem Ärmel über die Augen wischte. Vor Aufregung schlug sein Herz ganz schnell. Ein trockenes Durstgefühl bildete sich in seinem Hals, das er auch durch mehrmaliges Schlucken nicht ganz wegbekam. Bei einem kurzen Seitenblick zur Eingangstür sah Paddie bestürzt, dass dort Witkas Schild und Bartaxt standen. Sein Bogen nebst gefülltem Köcher lag unmittelbar daneben.
     »Mein lieber Witka, mein ganzer Stolz«, versuchte der Vater nun in einem ruhigeren Tonfall seinen Ältesten umzustimmen.
     »Ich werde deinen Stolz auch nicht verletzen, wenn ich mit Mstislaw reite«, gab Witka eigensinnig zurück.
     »Und ich kann dich nicht davon abbringen?«
     »Nein!«
     »Gut«, versuchte Witkas Vater es nun auf eine andere Weise.
     »Bevor du aber aufbrichst«, er hob warnend einen Finger, »so will ich dir noch eine Geschichte erzählen, damit du dir hernach selbst ein Urteil bilden kannst, was das Wort eines Deutschen überhaupt wert ist.«
     »Wenn es unbedingt sein muss«, seufzte Witka und machte sich auf eine der abgedroschenen Erzählungen gefasst, die er schon Tausende Male gehört hatte.
     Von Witka unbemerkt schaute sein Vater in Stephans Richtung. In den Augen des Cholps las er ein stummes Flehen, was sich allerdings nach kurzer Zeit in eine leise Zustimmung wandelte. Widerstrebend gab der Knecht sein Einverständnis für eine Geschichte, die er selbst am liebsten totgeschwiegen hätte.
     Erleichtert über das Zugeständnis wandte sich der Vater erneut an seinen Ältesten.
     »Also, was weißt du über den Tod deines Großvaters?«
     »Er ist während der Schlacht um die Reka gefallen.«
     »So hatten deine Mutter und ich es dir immer erzählt.«
     »Und das stimmt nicht?«
     »Nicht direkt.«
     »Wie ‘nicht direkt’?«, erwachte in Witka die Neugierde.
     »Ich meine, dein Großvater ist nicht direkt während der Schlacht gefallen.«
     »Wie dann?«
     »Er ist ermordet worden.«
     »Ermordet?«, fuhr Witka erschrocken auf.
     »Jawohl, ermordet! Dein Großvater ist nicht den Heldentod auf dem Schlachtfeld gestorben, sondern er wurde feige und hinterhältig

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