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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Lager schleichenden Geister wahrnahm? Warum standen Oddar und seine Glaubensbrüder nicht endlich auf, um nachzusehen? Warum nur schlugen Udos Wachen keinen Alarm? Wieso saß sein alter Stari noch so ruhig da unten, an den Wagen gelehnt und rührte sich nicht?
     Als mögliche Antwort auf all seine Fragen übertönte ein weinseliges Gejohle alle Geräusche jenseits des Lagers und erstickte die warnenden Anzeichen einer aufkommenden Gefahr mit lautstarkem Gelächter.
     Wenn der Wald doch nur nicht so finster wäre , erschauderte Thietmar. Der schwache Widerschein der Lagerfeuer vom anderen Ende des Lagers reichte nicht aus, um die Umgebung in seiner Nähe auch nur annähernd zu beleuchten.
     Schon wieder knackte und raschelte es, ganz in der Nähe. Drei, vier, fünf huschende Schatten konnte Thietmar diesmal zählen, ohne jedoch zu erkennen, worum es sich dabei genau handelte.
     Dann: Stille! Nichts und niemand rührte sich mehr. Alle Geräusche aus dem schwarzen Wald waren wie auf ein geheimes Kommando hin verstummt. Was Thietmar blieb, das war allerdings ein intensives Gefühl nach höchster Gefahr. Etwas Furchtbares würde passieren. Etwas, was im Wald lauerte, bereitete sich auf einen grauenvollen Angriff vor, konnte, nein würde jeden Moment über ihr Lager herfallen. Und noch immer schnarchten die Mönche und zechten die Krieger.
     Ich muss sie warnen, ALLE! , überlegte Thietmar angestrengt. Nur wie? Die Krieger hörten wohl kaum auf das Wort eines kleinen, zierlichen Knaben. Blieben also nur noch Bruder Oddar oder sein guter alter Stari übrig. Sollten sie es doch übernehmen, dem Ritter und seinen Blutknechten ins Gewissen zu reden.
     Den Wald nicht aus den Augen lassend nahm Thietmar all seinen Mut zusammen und kletterte vorsichtig über die Bordwand. Auf Zehenspitzen schlich er zu der aufgespannten Plane, unter der die Mönche schliefen.
     Eine leichte Nachtbrise strich durch die Kronen der Bäume und ließ für einen winzigen Moment das silberne Mondlicht hindurchscheinen. Gleich an mehreren Stellen reflektierte es plötzlich schwach im Unterholz. Es war, als ob sich der Mondschein in unzähligen, blank polierten Stählen oder gar in spitzen Ungeheuerzähnen bräche. Der halbwüchsige Knabe erschrak und beschleunigte seine Schritte. Er achtete nicht auf den Weg und stolperte nur wenige Meter vom Nachtlager der Mönche entfernt. Unsanft landete er auf allen vieren. Dieser Umstand rettete ihm höchstwahrscheinlich das Leben, denn nur zwei Ellen über seinem Kopf zischte etwas durch die Luft. Fast gleichzeitig erfolgte am Baum gegenüber ein dumpfer Knall. Leise zitternd steckte dort plötzlich ein gut armlanger Pfeil. Ein Pfeil, der vermutlich ihm gegolten hatte.
     Eine Schrecksekunde lang hockte der kleine Junge wie erstarrt im feuchten Laub. Dann jedoch kroch er flink wie ein Wiesel in Bruder Oddars Richtung.
     Dies gab den Ausschlag zum Angriff.
     Im finsteren Unterholz begann ein gewaltiges Horn zu röhren, in das sogleich eine Vielzahl anderer Hörner einfiel. Es war das furchtbarste und lauteste Geräusch, was Thietmar jemals in seinem jungen Leben gehört hatte. Und dieses grauenvolle tiefe Röhren kam aus allen Richtungen gleichzeitig. Kein Mensch, der diese infernalischen Fanfaren auch nur einmal gehört hatte, würde sie jemals wieder vergessen können. Vor Schreck ließ Thietmar sich erneut zu Boden fallen und presste beide Hände auf die Ohren.
     Die Hörner waren noch nicht verstummt, als ein wahrer Pfeilregen über das Lager der Tributeintreiber niederging. Es surrte und pfiff in der Luft, als ob ein riesiger Hornissenschwarm über sie hergefallen wäre. Dumpf knallend schlugen verfehlte Geschosse in die Holzplanken der schweren Fuhrwerke. Laut schabend glitten eiserne Pfeilspitzen über die Panzerhemden der Ritter. Splitternde Pfeilschäfte kratzten über die aufgereihten Schilde.
     Aber nicht alle Pfeile verfehlten ihr Ziel. Ein halbes Dutzend der zechenden Krieger sank tödlich getroffen zu Boden. Es waren hauptsächlich jene, die sich ihrer schweren Kettenpanzer entledigt hatten. Tief in ihren Brüsten, Rücken oder Hälsen steckten gefiederte Todesboten. Ein weiteres Dutzend Kriegsknechte war verwundet worden und brüllte vor Schmerz und Schreck. Ihre Kettenhemden waren von den hart geschmiedeten Pfeilspitzen glatt durchbohrt worden. Heißes Blut strömte aus den Wunden, sickerte durch die eisernen Ringe, rann die Pfeilschäfte entlang und fiel in schweren Tropfen zu Boden.

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