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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Schwertträger dem Wenden kräftig ins Gesäß trat und mit einem gewaltigen Ruck den tödlichen Stahl herauszog. Durch den Schwung vorangetrieben, machte der Wendenkrieger noch drei, vier unbeholfene Schritte in Thietmars Richtung, bevor er in den Knien einknickte. Sein mühsam aufrecht gehaltener Oberkörper schwankte leicht, als seine Augen Thietmars Blicke suchten. Bereits mit dem Tode ringend erschien erneut dieses warme vergebende Lächeln auf seinen Lippen, zu dem der kleine Junge sofort Vertrauen gefasst hatte. Am liebsten wäre der Knabe hingelaufen, um dem sterbenden Mann einen letzten Trost zu spenden. Jedoch, noch bevor er sich dazu entschließen konnte, zerstörte der gepanzerte Blutknecht seinen Wunschtraum. Mit einem gewaltigen Hieb schlug er dem knienden Wenden das Haupt von der Schulter, sodass sein Blut bis zu Thietmar spritzte. Dröhnendes Gelächter des Blutrausches wollte Thietmars Ohren sprengen und machte ihn fast wahnsinnig.
     In diesem Moment trat ein alter gebeugter Greis an Thietmar heran. Seine knochige Hand umfasste fest seinen Arm und zog ihn mit sich fort. Willenlos folgte der Knabe seinem alten Diener Stari, denn der Tod des Wendenkriegers hatte einen großen Schock in ihm ausgelöst. Er hatte endgültig genug von Blut und vom Sterben. Nur noch ein einziger Wunsch beherrschte sein Denken: Weg von hier! Weg von diesem verwunschenen Ort!
     Ohne auf die Umgebung zu achten, ohne auch nur noch einen einzigen Blick zurückzuwerfen, folgte Thietmar seinem alten Withasen blindlings in den Wald hinein. So schnell der alte Mann konnte, stolperten sie immer weiter fort von diesem grausigen Ort. Sie krochen durch Büsche, humpelten durch Niederungen und durchwateten kleine Tümpel, auch als der Kampfeslärm schon lange verstummt war. Selbst seine tiefe Furcht vor den nächtlichen Walddämonen konnte den Knaben nicht aufhalten. Nichts konnte schlimmer sein als das, was er soeben erlebt hatte. Erst als die Dämmerung anbrach und Stari nicht mehr weiterkonnte, sanken sie erschöpft zu Boden.
     Thietmar hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden oder wie sie gar den Weg zurück zum Lager finden konnten, aber dies war ihm im Moment egal. Mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, streckte er seine müden Beine weit von sich und legte die Hände in den Schoß. Sein Herzschlag beruhigte sich langsam, sein Blick klärte sich und die Tränen versiegten. Dankbar warf er einen Blick zu seinem guten alten Stari hinüber, der ihn aus dem bisher schlimmsten all seiner Albträume herausgerissen hatte. Erst in diesem Moment fiel ihm auf, wie schwach und mitgenommen sein alter Diener in Wirklichkeit war. Schleifenden Schrittes und anscheinend mit letzter Kraft schleppte sich der greise Mann zum Baum gegenüber und ließ sich vor Schmerz gekrümmt zu Boden fallen.
    Thietmar sah genauer hin und erschrak furchtbar über das, was ihm in der nächtlichen Dunkelheit bisher entgangen war. Die ganze rechte Seite seines guten alten Staris, als auch dessen Hose, war durch und durch mit Blut getränkt. Aus seiner mageren Hüfte ragte ein abgebrochener Pfeilschaft. Dies war auch der Grund gewesen, warum er nicht eher in das Geschehen eingreifen konnte.
     Sofort war der Knabe wieder auf den Beinen, sprang mit schnellen Schritten an die Seite seines geliebten Geschichtenerzählers und starrte händeringend auf die furchtbare Wunde.
     »Stari, oh mein guter alter Stari, du bist ja verletzt!«
     Der alte Mann zuckte kraftlos mit den Schultern und winkte leicht mit der linken Hand ab.
     »Aber was soll ich denn nun machen? Wie kann ich dir nur helfen?«
     Ein hohlwangiges Gesicht, aus dem jede Farbe gewichen war, richtete sich auf den Knaben.
     »Mein Junge, mir kann niemand mehr helfen.«
     Thietmar merkte nur am Rande, dass sein alter Diener die vertrauliche Anrede benutzte, aber diese Sache war ihm im Moment völlig egal. Verzweifelt legte er seine kleinen Hände auf die bebenden Schultern des Greises.
     »Aber wenn ich dir nicht helfen kann, musst du dann sterben?«
     Ein schwaches Lächeln erschien auf den trockenen Lippen des Alten.
     »Jeder muss irgendwann einmal sterben.«
     »Aber doch nicht du! Bitte, bitte Stari, du darfst noch nicht sterben«, bettelte Thietmar verzweifelt.
     »Wen der große Swarozyc zu sich ruft, den kann keine Macht der Welt mehr halten.«
     Ein schlimmer Hustenanfall beutelte den schwer verletzten Mann und Thietmar musste all seine Kraft aufbringen, um ihn zu stützen. Als der Anfall

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