Die Ehre der Slawen
aufgeschlossen hatte, und hakten sich kameradschaftlich in seinen Armen ein.
»He, alter Knabe, was hast du?«, fragte der schwarzhaarige Rapak besorgt. Bikus große Kulleraugen zeichneten in seinem pausbäckigen Gesicht ein einziges großes Fragezeichen.
»Ach, nichts weiter«, winkte Paddie ab.
»He, uns kannst du doch nichts vormachen«, drängte Rapak.
Schweigend schritten sie eine Weile nebeneinander her, bis Paddie es schließlich nicht mehr aushielt.
»Was haltet ihr von den Deutschen?«, fragte er plötzlich übergangslos.
»Von den Deutschen?«, entfuhr es verblüfft seinen beiden Freunden wie aus einem Munde.
»Ja, zum Kuckuck noch mal, von wem denn sonst?«
Bikus zuckte gleichgültig mit den Schultern, während Rapak angestrengt überlegte.
»Hmm, ja, die Deutschen«, suchte er nach passenden Wörtern. Dann erinnerte er sich:
»Ihr wisst ja, dass mein Vater ein Händler ist, der schon überall in der Welt herumkam. Sogar die berühmten Städte Venedig und Konstantinopel hatte er schon mit eigenen Augen gesehen.«
»Ja, ja, ich weiß«, entgegnete Paddie ungeduldig, »und von einer dieser Reisen brachte er früher deine Mutter mit.«
»Stimmt genau«, nickte Rapak, »also: Der leichteste Weg nach Konstantinopel führt zuerst durch das Reich der Deutschen, dann weiter durch das Land der Magyaren oder man klettert über die riesigen Berge, die Alpen heißen, und fährt dann mit einem großen Boot weiter. Die Magyaren leben wohl so ähnlich wie wir, während Venedig und Byzanz voller unvorstellbarer Wunder stecken. Bei den Byzantinern …«
»Ich fragte nach eurer Meinung über die Deutschen«, unterbrach Paddie unwillig die Geografiestunde seines Freundes.
»Ach ja richtig«, entgegnete Rapak etwas enttäuscht darüber, dass er mit dem Wissen seines Vaters nicht so recht glänzen konnte, wie er es gerne hätte.
»Also, eigentlich sind die Deutschen arme Hunde, wenn du verstehst, was ich meine.«
Völlig verblüfft über diese unerwartete Feststellung schüttelten Paddie und Bikus mit den Köpfen.
»Na das ist doch ganz einfach«, lächelte Rapak überlegen.
»Die Deutschen haben Häuser und Burgen aus gebrannten Steinen und behauenen Felsen gebaut, die bis in den Himmel ragen. In ihren Städten haben sie so riesengroße Speicher angelegt, dass Dutzende unserer Dörfer ein ganzes Jahr lang genug davon zu essen hätten. Ihre Fürsten sind so unvorstellbar reich, dass sie sich ganz viele Krieger leisten können, die niemals etwas anderes tun müssen als nur zu kämpfen und zu feiern. Die hohen Leute kleiden sich und ihre Familien mit den feinsten Tüchern, die ihr euch nur vorstellen könnt und sie trinken ihren Wein aus Kelchen, die aus purem Gold sind. Zu Mittag gibt es bei ihnen, an einem jeden Tage, knusprigen Braten auf goldenen Tellern . Und das Reich der Deutschen ist so groß, dass man selbst mit dem schnellsten Pferde viele Wochen bräuchte, um es gänzlich zu durchqueren.«
Staunend hingen Paddie und Bikus an Rapaks Lippen, der nun erst recht in Fahrt kam.
»Mein Vater sagte einmal, dass man auf ihren Märkten alles kaufen kann, was man sich nur vorzustellen vermag. Angefangen von Hühnern, Gänsen, Schweinen und Rindern, bis hin zu den besten Schwertern und Messern, die ein Schmied jemals fertigen konnte. Jacken und Mäntel aus kuschelig weichen Marder- oder Hermelinfellen, Samt- und Seidentücher, die mit Goldfäden durchwirkt sind, Berge von goldenen und silbernen Schmuckstücken, die edelsten Pferde und noch unendlich viel, viel mehr. All das kann man auf ihren Märkten kaufen oder eintauschen.«
»Ja, aber warum sind die Deutschen denn nun arme Hunde, wenn sie alles haben oder kaufen können?«
Rapak schaute seine Freunde mit wissendem Lächeln an.
»Weil sie trotz ihrer Reichtümer niemals zufrieden sind. Je mehr sie besitzen, umso größer wird ihre Gier nach noch mehr. Wenn jemand nicht zufrieden ist, so kann er auch nicht glücklich sein. Also ist er ein armer Hund.«
Bikus überlegte: »Ich will kein gieriger Mensch sein. Solange ich immer genügend zu essen habe, so lange will ich auch immer satt und glücklich sein.«
Nun musste auch Paddie lachen. Da er Bikus nimmersatten Appetit zur Genüge kannte, konnte er sich an drei Fingern abzählen, wie unglücklich sein Freund manchmal vor einer geleerten Schüssel saß.
»Dann sind sie vom bösen Dämon der Habgier besessen«, schlussfolgerte Paddie.
»Genau
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