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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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bis zum Bauchnabel reichten, erhob sich ein furchtbarer Götze aus geschwärztem Holz. Der Körper war dem eines bärenstarken Recken nachempfunden, hingegen der Kopf vier grimmige Gesichter besaß. Jedes von ihnen schaute in eine andere Himmelsrichtung, sodass den wachsamen Götzenaugen nichts entgehen konnte. Ein wadenlanges Gewand, einer Tunika nicht unähnlich, verzierte in der Mitte ein breiter Gürtel. Arme, Füße, Hände, waren so fein aus dem Holz herausgearbeitet, dass es wie bei einem lebendigen Menschen wirkte. In der rechten Hand hielt die Holzstatue ein echtes, blank poliertes Schwert erhoben, das so groß war, dass allerhöchstens ein Riese damit hätte umgehen können. Mit der anderen Hand umklammerte der Götze ein großes Trinkhorn, das aus reinem Silber zu bestehen schien und reichlich mit edlen Steinen verziert war.
     Das muss der Gott Swarozyc sein , erinnerte sich Thietmar an Staris Erzählungen. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken, als er diesen Ort als heiligen Hain erkannte.
     Mit angehaltenem Atem lag der kleine Junge eine geraume Weile argwöhnisch blinzelnd im Gras und richtete seine Augen unverwandt auf den fremden Gott. Ob er wirklich nur aus totem Holz bestand?
     Unbeeindruckt der ganzen Umgebung trabte in diesem Moment ein prächtiger Schimmel zum Sockel des Götzen hinüber, zupfte ein paar Kräuter zwischen den Steinen heraus, hob anschließend seinen Schweif und ließ einen großen Haufen dampfender Pferdeäpfel ins Gras fallen. Mit freudigem Schnauben trabte er sodann ein Stückchen weiter, um sich erneut am duftenden Gras zu laben.
     Thietmars Mut sank auf den Nullpunkt. Wie sollte er so ein großes Pferd reiten können, noch dazu ohne Sattel und Geschirr? Auch erinnerte er sich jetzt wieder, dass die Wenden ihre prächtigsten Schimmel ihren Göttern weihten und niemandem, außer den Priestern, war es gestattet, sie zu berühren. Schmerzhaft dachte Thietmars an seine lahmen, schwer gewordenen Beine. Allein schon bei dem Gedanken, vielleicht noch tagelang durch dieses verwunschene Land zu irren, wurde ihm regelrecht übel. Zwischen Angst und Hoffnung hin- und hergerissen wusste der Knabe noch ein noch aus. Sollte er trotzdem sein Glück versuchen oder lieber nicht?
     Der Schimmel hielt plötzlich inne und hob witternd die Nüstern. Neugierig drehte er seinen Kopf in Thietmars Richtung und suchte mit seinen großen Augen die Quelle des fremden Geruches zu ergründen. Nach wenigen Augenblicken gelangte das Tier schließlich zu der Erkenntnis, das wohl keine Gefahr drohe und trabte mit eleganten Schritten in Richtung des kleinen Menschen.
     Thietmar erstarrte vor Schreck, als das große Pferd unmittelbar vor ihm stehen blieb und heftig seinen Kopf schüttelte. Seine lange, sorgsam gebürstete Mähne wehte ihm nur so um den Kopf und stellte die reinste Einladung zu einem ausgiebigen Spazierritt dar.
     Ob ich es einfach doch versuche? Es ist ja keiner zu sehen, der mit mir schimpfen könnte , überlegte Thietmar.
     Als ob der Schimmel die Gedanken des Jungen erraten könnte, scharrte er mit dem Vorderhuf ungeduldig auf dem Boden und schnaubte leise.
     Thietmar erhob sich langsam und trat vorsichtig auf das Pferd zu. Es war groß, viel zu groß für jemanden, der bisher höchstens auf einem winzigen Pony gesessen hatte. Wenn es ihm aber gelänge, den Schimmel bis zum Sockel des Götzenstandbildes zu dirigieren, dann könnte es mit dem Aufsteigen wohl klappen. Und wenn er erst einmal auf dem Rücken des Pferdes saß, dann konnte er sich gut an seiner Mähne festhalten und es in jede gewünschte Richtung lenken. Das mühsame Marschieren hätte dann endlich ein Ende. Es käme also nur noch auf einen Versuch an.
     Voller neuer Hoffnungen steckte Thietmar die Hand aus und streichelte sanft über das weiße Fell des stolzen Tieres. Glatt und seidig fühlte es sich an und die Berührungen füllte das Kinderherz mit einer frohen Erwartung. Welch eine Freude bereitete es wohl, wenn man auf seinem Rücken saß.
     Ängstlich, sich nach allen Seiten umsehend, schob und drückte Thietmar den Schimmel sanft in Richtung der Statue. Willig gehorchte das Pferd seinem neuen kleinen Freund und tat, was er verlangte.
     Dann war es fast geschafft. Der Schimmel stand neben dem Sockel des finster dreinschauenden Swarozyc und drehte Thietmar erwartungsvoll seinen Kopf zu. Neugierig betrachteten die großen braunen Augen hinter den langen Wimpern den kleinen Menschen und warteten ab, was wohl

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