Die Ehre der Slawen
waren stets nach vorn gerichtet, sodass sie bei unliebsamen Begegnungen jederzeit zur Seite ausbrechen und sich in Sicherheit bringen konnten.
Ihre Vorsicht sollte sich bald bewähren.
Sie waren noch keine Meile gelaufen, als sie hinter einer Biegung mehrere große Planwagen gewahrten. Mit ein paar schnellen Sätzen sprangen sie seitwärts in die Büsche und beobachteten, aufs Äußerste angespannt, den Pfad.
Alles blieb ruhig.
Als sie sicher sein konnten, dass niemand sie gesehen hatte, pirschten sie sich vorsichtig näher. Der Tross hatte unweit des großen Schälchensteins angehalten, demjenigen, aus dem sie noch am Vortage vom heiligen Wasser getrunken hatten.
Stimmengewirr, raue Flüche und auch einige ängstliche Aufschreie drangen durch das dichte Unterholz. Was um alles in der Welt geschah hier?
Ein Mann in einer derben braunen Kutte, dessen sorgfältig geschorener Schädel von einem dünnen Haarkranz umringt war, redete eindringlich auf einen Krieger ein. Der Oberkörper des breitschultrigen Kämpfers wurde von einem eisernen Panzerhemd bedeckt, das ihm bis fast an die Knie reichte. Auf dem Kopf trug er einen runden Helm, der mit kreuzweise aufgenieteten Eisenbändern verstärkt war. Vorn wurde die Haube durch einen langen Nasenschutz ergänzt. An seinem Gürtel hing ein gewaltiges Schwert und auf dem Rücken trug er einen großen Kampfschild, der von tiefen Scharten gezeichnet war. Quer über der rechten Wange des Kriegers verlief eine grob genähte, tiefe Schnittwunde, die allerhöchstens drei bis vier Tage alt sein mochte.
»Oddar! Ihr und Euer dreimal verfluchter Teufelsstein!«, fuhr der Krieger den Mann mit dem seltsamen Haarschnitt an, der wohl ein Priester des Christ Jesus sein mochte.
»Dadurch, dass wir dieses Ungetüm beseitigen sollen, vergeuden wir fast einen ganzen Tag. Dabei hätten wir heute noch bequem die Ufer der Morcze erreichen können.«
Paddie und Rapak hielten vor Schreck den Atem an. Wollten diese fremden Eindringlinge etwa tatsächlich den heiligen Hain schänden? So etwas konnten die Götter doch niemals ungestraft zulassen.
Der Mönch, der vom Krieger mit Oddar angesprochen wurde, hob beschwörend die Arme.
»Oh, edler Udo, Ihr versündigt Euch an Gott, wenn Ihr so sprecht!«
Seine etwas abseitsstehenden Glaubensbrüder bekreuzigten sich entsetzt und falteten ihre Hände zum Gebet.
»Es ist unsere heiligste Pflicht vor Gott, sein Wort zu verbreiten und die Ungläubigen zum rechten Glauben zu bekehren. Dabei ist es unumgänglich, dass wir auf unseren Wegen alles Dämonen- und Teufelswerk vernichten. Nur wenn wir den Heiden beweisen können, dass ihre falschen Götzen nichts taugen, wird es uns gelingen, sie auf den einzig richtigen Weg zu führen.«
»Oddar! Dieses Ding ist nichts weiter als nur ein ganz gewöhnlicher großer, seelenloser Stein. Hart, kalt und hässlich.«
»Oh edler, unwissender Udo, der Satan kann in jedem Ding wohnen. Ob in einem Ort oder in einem Gegenstand, ob in toter oder beseelter Natur, von überall her kann der Antichrist seinen Verderben bringenden Atem ins Land schicken und …«
»Priester hütet Eure Zunge! Nennt mich noch einmal unwissend oder gar dumm«, fuhr Udo zornig auf, »und ich werde mit meinem Schwerte eigenhändig nachsehen, ob nicht vielleicht auch in Eurem Leibe der Atem des Antichristen steckt!«
Mit zornig funkelnden Blicken fochten beide Kontrahenten ein stummes Duell aus, bis Oddar es letztendlich vorzog, sich schweigend abzuwenden. Wütend drehte er dem weltlichen Fürsten seinen Rücken zu und gesellte sich zu seinen entsetzten Brüdern.
Udo machte auf dem Absatz kehrt und stampfte zornig in den Wald hinein. Was sich dieser kleine, lästige Pfaffe nur immer wieder einbildete. Ihn, der seine Erfahrungen und sein Wissen in unzähligen Schlachten gesammelt hatte, als unwissend zu bezeichnen! Eines Tages würde dieser kleine Kreuzkriecher schon noch sehen, was er mit seinen frommen Sprüchen gegen dieses verdammte Heidenpack ausrichten konnte. Hier half doch sowieso nur ein scharfes Schwert, eines, was von einer erfahrenen und vor allem »wissenden« Hand geführt wurde.
In seiner blinden Wut bemerkte Udo nicht einmal die im Gebüsch liegenden zwei Gestalten, die ihre Beine gerade noch rechtzeitig einziehen konnten. Er würde jetzt und sofort zu dem am Fels arbeitenden dummen Bauernpack gehen und es zum schnelleren Arbeiten antreiben. Es wurde Zeit, dass ihr Tross weiterziehen
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