Die Ehre der Slawen
auszuliefern.«
»Ach was, komm nur zurück. Dich zu bestrafen soll nicht unsere Sache sein, sondern allein die der Götter.«
Thietmar zögerte.
»Nun los doch«, winkte Paddie ungeduldig.
Als Thietmar immer noch keine Anstalten traf, der Aufforderung Folge zu leisten, trat Paddie neben ihn, legte ihm die Hand auf die Schulter und schob ihn sanft zum Versteck zurück. Widerstandslos ließ der angeschlagene kleine Junge alles mit sich geschehen und kauerte sich brav hinter dem Baumstamm nieder.
»Und was nun?«, fragte Rapak, immer noch ziemlich ratlos.
»Wollen wir den Göttern das Blut eines Tieres opfern? Es müsste aber schon ein ziemlich großes sein, meine ich, wegen der Schwere des Vergehens.«
»Hmm …«, überlegte Paddie, »nicht wir, sondern Thietmar muss den Göttern ein Opfer darbringen. Aber welches?«
»Soll ich einen Bären jagen?«, fragte der kleine Knabe zaghaft und war insgeheim überglücklich, dass ihn die neuen Freunde nicht verstoßen hatten. Auch sein Tränenstrom versiegte und machte Platz für vorsichtige hoffnungsvolle Blicke.
»Einen Bären?!«, Paddie und Rapak kicherten.
»Selbst eine junge Wildkatze wäre noch viel zu groß für dich.«
»Aber was dann?«, fragte Thietmar, wobei seine neue Hoffnung wieder ins Wanken geriet.
»Willst du ihn etwa eine Hasenfalle bauen lassen?«, fragte Rapak zweifelnd. »Ich glaube nicht, dass er damit die Götter besänftigen kann.«
Paddie zuckte mit den Schultern.
Nachdenklich lehnten sich die drei Jungs an den Baumstamm und überlegten angestrengt, was zu tun sei. Ein großes Opfer musste her, dies war klar wie Quellwasser. Es musste aber andererseits auch eines sein, was Thietmar überhaupt imstande war zu bringen. Bei seinem Alter und der Unerfahrenheit schieden jedoch alle größeren Tiere von vornherein aus. Alles in allem: Keine einfache Aufgabe.
Langsam senkte sich die Dämmerung über den Wald und aus der Ferne drang das Gerumpel von schweren Planwagen zu ihnen herüber. Es war Udos Treck, der nun ebenfalls in Richtung der Siedlung »Schönes Feld« zog.
»Ach was«, seufzte Paddie vernehmlich, »wegen des Opfers wird uns schon noch etwas einfallen. Swarozyc wird uns verzeihen, wenn wir noch etwas Zeit brauchen, damit uns etwas besonders Schönes einfällt. Er soll und wird sein Opfer ja bekommen. Jetzt sollten wir uns aber endlich wieder um den Mistkerl kümmern, der unser schönes Dorf erobern will. Wie wäre es, wenn wir versuchen würden, ihn zu belauschen? Ich meine: Es wäre doch nicht schlecht, wenn wir wüssten, was er vorhat. Und anschließend versuchen wir heimzukommen.«
Rapak nickte zustimmend und Paddie drehte sich zu Thietmar: »Was ist, Kleiner, machst du mit?«
»Ja gerne! Ich finde es sowieso böse und ungerecht, was der Ritter Udo eurem Volk antut. Wenn ihr mich mitnehmt, dann will ich mich gerne nützlich machen.«
»Na prima, dann sind wir uns ja einig. Los geht’s!«
*
Kapitel 16
Schwerfällig rumpelte der weit auseinandergezogene Wagentross auf das winzige Dorf »Schönes Feld« zu, das Udo sich als Nachtquartier auserkoren hatte. Schwitzend und schnaubend stemmten sich die Ochsen gegen die Joche. Breite eisenbeschlagene Holzräder gruben sich tief in den weichen Boden und hinterließen unübersehbare Spuren. Am letzten der Wagen aber war ein herrlicher Schimmel angebunden, der nervös und unruhig tänzelte. Immer wieder zerrte er an der Leine und versuchte sich loszureißen.
Ein blasses Mädchengesicht, eingerahmt von wunderschönen Locken, blinzelte mit tränenverhangenen Augen über die Bordwand. Mit ängstlichen Blicken schaute es immer wieder nach links und rechts. Zu gerne wäre das kleine Mädchen vom Wagen gesprungen, um in den nahen Wald zu fliehen. Indes, ihre gefesselten Hände, die mit einem kurzen Seil am Bord befestigt waren, vereitelten sämtliche Fluchtversuche von vornherein. Auch schränkten die vielen Verbände, die straff um ihren Leib gewickelt waren, stark ihre Bewegungsfreiheit ein. Die Wunden in ihrem Rücken und in den Schultern schmerzten zwar kaum noch, gaben aber ein stechendes Brennen von sich, wenn sie sich zu heftig bewegte.
Noch schlechter erging es ihren beiden Mitgefangenen. Bikus kleiner Bruder, der sich in letzter Zeit immer rührend um sie gekümmert hatte, und auch seine große Begleiterin, die hübsche Kosi, konnten weder Hände noch Füße bewegen.
Tief schnitten die rauen Stricke in ihr
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