Die Ehre der Slawen
Räuchert ihr mir aber auch nur einen einzigen verdorbenen Fisch, so will ich euch mit eiserner Hand dafür strafen! Denkt immer daran, dass ich nichts so sehr hasse wie alten stinkenden Fisch!«
Inzwischen hatten sich Paddie, Rapak und Thietmar im großen Bogen um Udos Lager geschlichen und standen nun am südlichen Ufer der Feisneck. In Richtung des Kleinen Meeres schimmerte nur noch ein schmaler, rötlich-violetter Streifen am Horizont, während in der entgegengesetzten Richtung bereits die Venus und der Mars am Himmel funkelten. Wie ein göttliches Augenpaar standen die Gestirne dicht beisammen und blickten neugierig auf das Treiben der Menschenkinder herab. Solch eine seltene Konstellation konnte man nur alle paar Jahre beobachten und Paddie hätte sonst etwas dafür gegeben, um herauszufinden, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Wie seltsam die Gestirne doch anzuschauen waren: Eines blinkte in strahlendem Weiß, das andere in einem zarten Rosa.
An einer kleinen Viehtränke machten Paddie und Rapak halt. Kaum hatten sie jedoch das seichte Ufer erreicht, als Thietmar sich auch schon kopfüber in das Wasser stürzte. Er ließ sich auf dem flachen Grund einfach auf die Knie fallen, tauchte den Kopf immer wieder unter und trank wie ein Verdurstender. Sogleich begann Paddie sich zu sorgen, als Thietmar auch schon prustend wieder auftauchte. Hustend und schnaufend rang er nach Atem.
»Psst! Thietmar, nicht so laut, sonst werden gar die Soldaten noch auf uns aufmerksam!«
Erschrocken hielt der kleine Junge beide Hände vor den Mund und gab nur noch ein unterdrücktes Glucksen von sich. Kaum war der Husten jedoch vorbei, da tauchte er erneut sein Gesicht ins Wasser und füllte seinen Magen so lange mit klarem Nass, bis nichts mehr hineinpasste. Völlig durchweicht verlor dabei sein kunstvoller Nasenverband die Form und rutschte ihm langsam aus dem Gesicht. Mit einem vorsichtigen Griff zog sich der kleine Junge das störende Leinengebinde vom Kopf und warf es in hohem Bogen hinter sich. Anschließend schöpfte er sich mit beiden Händen immer wieder Wasser ins Gesicht, um seine dick geschwollene Nase zu kühlen.
»Wäre das kein würdiges Opfer für euren Gott?«, fragte er plötzlich mit unterdrückter Stimme nach hinten.
»Was?«, raunten Paddie und Rapak wie aus einem Munde zurück.
»Na, wenn kein Medikus meine Nase wieder richtet, dann habe ich mein ganzes Leben lang eine schiefe Nase. Für meinen Gott wäre dies bestimmt an Sühne genug.«
»Hmm, ich weiß nicht so recht«, flüsterte Rapak, »eine Strafe ist es wohl und für deinen Gott mag sie ja auch ausreichend sein. Aber den hast du ja nicht beleidigt. Unser mächtiger Gott zieht meistens ein Opfer einer Strafe vor, aber unter einem richtigen Opfer, da hatte ich mir eigentlich immer etwas anderes vorgestellt.«
»Wir könnten unserem großen Swarozyc ja noch eine kleine Gabe drauflegen«, hatte Paddie plötzlich eine Idee.
»Und was?«, wollte Rapak neugierig wissen.
Paddie gab jedoch nicht sofort eine Antwort, sondern begann, auf allen vieren das Ufer abzusuchen.
»He, was für eine Gabe?«, platzte Rapak fast vor Ungeduld.
»Warte, gleich!«, flüsterte Paddie nach hinten.
Thietmar beobachtete das Treiben des Wendenknaben neugierig und machte sich gleichzeitig auf das Schlimmste gefasst. Wenn die Sitten dieses rauen Volkes einen Nasenbeinbruch nicht als richtiges Opfer ansahen, na dann konnte es ja noch heiter werden. Entschlossen nahm sich der kleine Junge jedoch vor, alles, was da noch über ihn kommen möge, geduldig zu ertragen. Die beiden Wendenjungen hatten ihn nicht verstoßen, als er sein schlimmes Vergehen gegen ihren Gott eingestanden hatte, also würde er sie nun auch nicht enttäuschen und sich ihre Freundschaft verdienen. Sein Herz klopfte in erwartungsvoller Vorfreude, dass er in diesem wilden Land vielleicht bald richtige Freunde haben könnte.
Nach einer Weile schien Paddie gefunden, wonach er suchte. Mit erwartungsvollem Lächeln richtete er sich auf, lief patschend ans Ufer zurück und winkte auch Thietmar aus dem Wasser heraus. Als alle drei beisammenstanden, drückte er jedem von ihnen einen flachen Stein in die Hand.
Auf Thietmars fragenden Blick hin erklärte er: »Wir und besonders du, Thietmar, leisten jetzt einen Schwur, der niemals gebrochen werden darf. Bist du dazu bereit, Thietmar?«
Der Angesprochene nickte eifrig, während über Rapaks Gesicht ein Verstehen
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