Die Ehre der Slawen
Leuten erledigen lassen, wo er doch so viele davon hat?«
Thietmar zuckte nachdenklich mit den Schultern, sodass Paddie in seinen Überlegungen fortfahren konnte: »Und außerdem, ich glaube nicht, dass euer Oberfürst wirklich weiß, was dieser böse Dämon Udo hier anrichtet. Otto der Kaiser kann sich doch nicht auf der einen Seite unserer Hilfe versichern und dann auf der anderen Seite einen Krieg gegen uns führen. Na ja, auch wenn wir seit der grausigen Schlacht an der Reka Steuern zahlen müssen, aber doch nicht auf diese blutige Weise und dann doch auch nur, wenn wir überhaupt etwas abgeben können.«
Abermals zuckte Thietmar ratlos mit den Schultern und machte ein bekümmertes Gesicht.
»Ich weiß auch nicht so genau, warum dies so ist. Jedes Mal, wenn ich nämlich meinen Lehrer Oddar oder meine Eltern danach fragte, haben sie immer nur zu mir gesagt: Das ist Gottes Wille oder das ist Reichspolitik. Und dafür bin ich Naseweis noch zu klein, um das zu verstehen.«
Er betastete vorsichtig seine Nase, verzog unter größten Schmerzen für einen Moment das Gesicht und fuhr mit näselnder Stimme fort: »Ich glaube aber, dass unser großer Kaiser die Taten Udos nicht guthieße. Nein, bestimmt nicht. Er würde den Frieden mit seinen Nachbarn wohl einem Krieg vorziehen wollen.«
Während Thietmar sprach, kullerten ihm abermals einige Tränen des Schmerzes über die Wangen. Paddie und Rapak merkten dies wohl und überlegten sich stillschweigend, wie sie dem kleinen Jungen helfen konnten. Immerhin hatte Paddie ihm ja die Nase gebrochen, wenn auch nicht mit Absicht. Und auch wenn so eine Verletzung keine lebensbedrohliche Angelegenheit war, so war sie doch bestimmt eine recht schmerzhafte Sache. Der Priester ihres Dorfes war für sie im Moment unerreichbar und es war fraglich, ob sie es in dieser Nacht bis dorthin überhaupt schaffen konnten. Bestimmt ließe der verhasste Udo Wachen aufstellen, um niemanden aus dem Dorfe heraus-, geschweige denn hineinzulassen.
Ein Geschehen am Waldrand lenkte für kurze Zeit ihre volle Aufmerksamkeit auf sich. Es war der Moment, als Udo mit seiner gesamten Streitmacht aufbrach, um im gestreckten Galopp zur kleinen Siedlung »Schönes Feld« zu reiten. Sollte er es ruhig tun, denn dort waren, außer den Töpfen und Krügen des grimmigen Lehmkneters, sowieso keine Dinge von großem Wert zu holen. Wie ein Donnergrollen klang es an ihre Ohren, als die Reiter dicht an ihrem Versteck vorbeizogen.
»Soll ich dir neues Biberfett auf deine Nase streichen?«, fragte Paddie vorsichtig.
»Biberfett?«, fuhr Thietmar entsetzt hoch.
»Ja natürlich, was denn sonst.«
»Igitt, igitt!«, ekelte sich der verletzte Junge und schüttelte angewidert den Kopf.
»Hmm, dann wäre da ja auch noch der Krieve, der ein Stück weiter hinten im Wald wohnt«, begeisterte sich Rapak an einem plötzlichen Einfall.
»Es wird zwar schon dunkel sein, bevor wir da sind, aber immerhin hat er ja auch die Wunden von Paddies Schwester gut versorgt. Außerdem ist er weit bekannt für seine Kräuter- und Heilkünste.«
»Ein Priester inmitten des Waldes?«, horchte Thietmar vorsichtig auf, wobei er nichts Gutes ahnte.
»Mehr als das«, sprudelte es aus Rapak hervor.
»Er ist ein Krieve, ein oberster Diener der Götter. Ein weiser, ehrfürchtiger Mann, dessen Gebete immer erhört werden. Jemand, der die göttlichen Zeichen und Wunder zu deuten weiß. Alle Priester der umliegenden Dörfer vertrauen auf sein Wort und holen sich seinen Rat. Nur das Wort des Krieven aus Malchou 15 hat ein höheres Gewicht. Unser Krieve versteht sich aber auf die Heilkunst wie kein Zweiter, und wenn du mit eigenen Augen sehen könntest, wie viele verschiedene Kräuter und Salben er in seinem Tempel aufbewahrt, na dann verheilt dein kleines Näschen von ganz allein.«
Rapak versuchte ein zuversichtliches Lächeln, während Thietmar immer kleiner zu werden schien.
»Hat euer Krieve vielleicht auch ein weißes Pferd?«, fragte er zögerlich, wobei er seinen Blick zu Boden senkte, um die aufsteigende Angst zu verbergen.
»Und was für eines«, schwärmte nun Paddie, »so einen stolzen und prächtigen Schimmel findest du im ganzen Moriczerland nicht wieder. Das edle Pferd ist aber den Göttern geweiht und darf nur von einem Krieven gefüttert und gestriegelt werden. Niemand, außer ihm, darf es berühren oder gar einen Ritt wagen. Dem heiligen Schimmel auch nur ein einziges Haar herauszureißen, ist
Weitere Kostenlose Bücher