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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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eines der schlimmsten Vergehen gegen die Götter, das man sich überhaupt vorstellen kann. Derjenige, der es trotzdem wagen sollte, kann die erzürnten Götter nur noch mit seinem eigenen Blute besänftigen.«
     Plötzlich wurde Rapak misstrauisch ob Thietmars Frage.
     »Aber wieso fragst du überhaupt, ob der Krieve ein weißes Pferd hat?«
     Der Angesprochene hüllte sich jedoch in Schweigen und kroch regelrecht in sich zusammen. Es war unübersehbar, wie er sich mit peinlichen Schuldgefühlen abplagte.
     »Au weih«, stöhnte Paddie, »ich ahne Fürchterliches!«
     »Hast du etwa …?«, fuhr Rapak entsetzt auf.
     In ihrem ersten Schrecken rückten beide Slawenjungen vom vermeintlichen Frevler ab, als sei er eine giftige Natter. Was mochte der kleine Thietmar nur angerichtet haben? Stand eine Prüfung der Götter bevor? Sah der große Swarozyc etwa deshalb tatenlos zu, wenn dieser widerliche Udodämon ihr schönes Dorf erobern wollte?
     Thietmar blickte wie ein verängstigtes Rehkitz.
     »Aber …, aber ich wollte doch nur so schnell wie möglich wieder nach Hause«, versuchte er sich zu rechtfertigen, »es ist so furchtbar, wenn man ganz allein und ohne Freunde durch ein fremdes, wildes Land irren muss. Immer auf der Hut sein, nicht entdeckt zu werden, immer hungrig, von wilden Tieren und bösen Waldgeistern verfolgt, allein gelassen wie ein Aussätziger.«
     Der kleine Junge kauerte sich im Schutze des Baumstammes zusammen, umklammerte mit beiden Armen seine Knie und legte seine Stirn darauf. Alle furchtbaren Erlebnisse der letzten Tage brachen nun wieder mit Gewalt über ihn herein und überforderten seinen jungen, heranwachsenden Geist derart, dass er sich vollkommen verloren fühlte. Sein Mut sank auf einen derartigen Tiefpunkt, dass er bereit war, sich aufzugeben und mit allem, was da noch kommen möge auf dieser furchtbaren Welt, abzuschließen. Er war der festen Überzeugung, dass die beiden Slawenjungen ihm nun wieder seinem Schicksal überließen. Sie mussten ihm ganz einfach im Stich lassen, eben weil ihr Glaube es so von ihnen verlangte. Und wieder allein durch die Wildnis irren, das würde er nicht mehr verkraften.
     »So hast du den heiligen Schimmel also berührt?«, flüsterte Paddie.
     Thietmar nickte.
     »Und hast ihn vielleicht sogar noch versucht zu reiten?«, fragte Rapak entsetzt.
     Abermals nickte Thietmar.
     »Und der Krieve hat das spitzgekriegt«, stellte Paddie kopfschüttelnd fest.
     Die Blicke des kleinen Thietmar waren Antwort genug. Fieberhaft mit sich selbst kämpfend sprang er plötzlich auf die Beine, blickte zu den beiden ratlos am Boden kauernden Jungen hinunter und fasste einen Entschluss: »Ich will nicht, dass ihr wegen meiner Dummheit bestraft werdet. Ich wünsche euch alles Glück auf dieser Welt und möge Gott euch schützen …, auch wenn ihr nicht an Jesus Christus und an die Heilige Jungfrau glauben wollt. Lebt wohl!«
     Mit hölzernen Schritten und hängenden Schultern schickte Thietmar sich an, zurück in den Wald zu marschieren. Die Trennung tat ihm unendlich weh, aber was sein musste, das musste sein. Ob er jemals wieder nach Hause zurückfand, daran glaubte er im Moment nicht mehr. Aber er hatte zum ersten Mal in seinem Leben richtigen Mut bewiesen. Er hatte die Wahrheit gesagt, obwohl ihm die Konsequenzen durchaus bewusst waren. Trotz seiner Mutlosigkeit erfüllte ihn ein leiser Stolz auf sich selbst. Egal was jetzt noch käme, er konnte reinen Gewissens vor seinem Gott hintreten, wenn es so weit war.
    Fassungslos und ratlos blickten Paddie und Rapak dem davonschleichenden kleinen Jungen hinterher und wussten nicht mehr aus noch ein. Dieser Knirps hatte auf gröbste Art und Weise gegen die Heiligen Gesetze verstoßen und die Götter herausgefordert. Selbst wenn sie wollten, was konnten sie jetzt noch für den kleinen Jungen tun?
     Paddie überwand als Erster seine Starre. Schnell fasste er sich ein Herz, sprang auf und lief dem Frevler hinterher: »Thietmar«, rief er mit leiser Stimme, »Thietmar, so warte doch!«
     Der kleine Fürstenspross wendete halbherzig seinen Kopf.
     »Ja?«
     »Nun renne mal nicht gleich weg. Rapak und ich werden dich schon nicht verpfeifen …, und vielleicht fällt mir ja noch ein, wie wir den großen Swarozyc wieder besänftigen können.«
     Thietmar blieb stehen und drehte sich vollends um.
     »Aber ihr verstoßt doch gegen eure eigenen Gesetze, wenn ihr mir helft, statt mich eurem Krieven

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