Die Ehre des Ritters (German Edition)
unschuldig, als dass er dem unziemlichen Weg hätte folgen können, den seine Gedanken genommen hatten.
»Wir haben uns schon viel zu lange hier aufgehalten«, sagte er schroff und unterbrach damit das wachsame Schweigen, das sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte. »Einige Stunden entfernt von hier befindet sich ein Dorf, in dem wir sicher eine Unterkunft finden und Proviant erstehen können. Wir machen uns am besten auf den Weg.«
Wortlos hastete Isabel an ihm vorbei, den Blick gesenkt und die Hände schützend an ihren Hals gelegt. Auch während des restlichen Tages sprach sie nicht mehr mit ihm. Beider Stimmung war so schwarz wie die dunklen Regenwolken, die langsam von Norden näher krochen und sich über ihren Häuptern aufzutürmen begannen.
9
Ein kalter Nieselregen hüllte sie bis zur Dämmerung ein. Griffin empfand die unfreundliche Witterung als Segen, denn dadurch waren die Straßen und Waldpfade verlassen. Nur wenige Bauern gingen noch ihrer Arbeit auf den Feldern nach, als er mit Isabel in dem Dorf ankam, in dem er eine Unterkunft für die Nacht zu finden hoffte.
Das winzige Dörfchen duckte sich an die nördliche Grenze von Droghallow. Es bestand aus kaum mehr als einer Handvoll Häuser und einer bescheidenen Schenke, die Griff und seine Männer gelegentlich zur Rast aufgesucht hatten, wenn Doms Geschäfte sie in diese Gegend führten. Zwar bezweifelte er, dass die einfachen Leute ihn ohne seine Soldaten wiedererkennen würden, dennoch hielt er den Kopf gesenkt, wie um sich vor dem Regen zu schützen, während er sein Pferd über die Dorfstraße lenkte. Wie die meiste Zeit auf ihrer Reise, schmiegte sich Isabel auch jetzt an seine Brust; sein breiter Mantel, der um ihre Schultern lag, schützte sie vor neugierigen Blicken.
Kein Mensch schaute auf, als sie durch das Dorf ritten. Die Bewohner waren damit beschäftigt, die Ziegen und Rinder zur Abendruhe in ihre Pferche zurückzutreiben, und beachteten das tropfnasse Paar hoch zu Ross nicht. Ebenso unbemerkt blieb, dass Griff sein Pferd am Ortsrand zügelte und von der Straße zu einer der großen Scheunen lenkte.
»Wo wollt Ihr hin?«, fragte Isabel ruhig, nachdem er abgestiegen war. Es waren die ersten Worte, die sie seit ihrer Rast mit ihm gesprochen hatte. »Übernachten wir hier?«
»Dieser Platz ist so gut wie jeder andere«, antwortete er und hob sie aus dem Sattel.
Er ging zum Tor des Gebäudes und stellte zufrieden fest, dass es unverschlossen war. In der großen Scheune war es dunkel und warm. Es roch einladend nach frischem Heu und Schaf. Der leicht ölig-herbe Duft strömte von den Wollballen herüber, die nach der letzten Schur hier aufbewahrt wurden. In dem geräumigen Gebäude war genügend Platz für sie beide und Griffins Pferd, und es war tatsächlich eine angenehme Alternative zu einer Nacht im Regen.
»Kommt«, sagte er zu Isabel, da sie zögerte. »Hier drinnen sind wir sicher.«
Sie folgte ihm und ließ sich auf einem der Wollballen nieder, während Griff das Pferd absattelte. Er hörte ihr Gähnen hinter seinem Rücken, und als er sich schließlich umwandte, um ihr seinen Mantel als Decke zu reichen, war sie bereits fest eingeschlafen. Zusammengerollt schlummerte sie friedlich wie ein Säugling.
Sorgsam darauf bedacht, sie nicht aufzuwecken, deckte er sie zu. Sie hatte den erholsamen Schlaf nötig, denn auch am folgenden Tag erwartete sie ein langer, schneller, anstrengender Ritt. Je weiter sie sich von Droghallow entfernten, desto besser. In der Tat wäre es am besten, möglichst viel Abstand zwischen mich und die liebreizende Isabel zu bringen, dachte er sarkastisch. Obwohl er es zu leugnen versuchte, führte sie ihn immer mehr in Versuchung, und diese Ablenkung konnte er nun wahrhaftig überhaupt nicht brauchen – nicht, wenn eine Unachtsamkeit sie beide das Leben kosten konnte.
Vermutlich hatte er sie deshalb auf der Lichtung absichtlich provoziert. Er wollte nicht, dass sie ihn mit Zuneigung oder Wohlwollen betrachtete. Daher hatte er sie verspottet, angefangen bei der fälschlichen Beschreibung seines ersten Eindrucks von ihr, indem er sie als kleines Mädchen bezichtigte, das dumm genug war, sich in den Wäldern von Droghallow zu verlaufen, bis hin zur Verhöhnung der mitfühlenden jungen Frau, die achtsam das verlorene Medaillon eines Jungen in Ordnung brachte, aufbewahrte und schützend um ihren zarten Hals trug, obwohl sie ihn nicht kannte, nie kennenlernen würde und – hätte das Schicksal nicht
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