Die Ehre des Ritters (German Edition)
eingegriffen – niemals wiedergesehen hätte. Obwohl er die kleine bronzene Scheibe kalt und hart auf seiner Brust spürte, konnte Griffin immer noch nicht glauben, dass er sie wiederhatte.
Endlich.
Nachdem er zehn lange Jahre jeden Fingerbreit Waldboden vergeblich abgesucht und den Verlust des geliebten Anhängers betrauert hatte, war er nun wieder in seinem Besitz. Es war alles, was ihm von seiner leiblichen Familie geblieben war, das einzige greifbare Beweisstück, das ihm einen Hinweis darauf geben konnte, wer er war. Niemals würde er sich davon trennen; seine flapsige Bemerkung, dass er es bei der ersten sich bietenden Gelegenheit verkaufen würde, war eine armselige Lüge gewesen, um zu verbergen, was es ihm tatsächlich bedeutete – was es ihm bedeutete, dass Isabel das Amulett für ihn während all dieser Jahre so sorgsam gehütet hatte. Er konnte sein Glück, es wiederzuhaben, kaum fassen, ebenso wenig wie er die Gründe dieser faszinierenden Frau verstand, die es ihm nach so vielen Jahren überbracht hatte.
Lady Alys, die zweite Frau von Robert of Droghallow und einzige Mutter, die sich je um Griffin gekümmert hatte, hatte einst zu ihm gesagt, dass man eine noble Gesinnung tief in seinem Herzen trüge, nicht wie eine Goldkette um den Hals. Damals hatte es Griffin für eine nette Redensart gehalten, die einen niedergeschlagenen Jungen über den Verlust des einzigen Wertgegenstandes hinwegtrösten sollte, den er je besessen hatte. Nun, bei Isabels Anblick, geriet er ins Grübeln.
Nicht zum ersten Mal stellte er sich vor, wie sie sich auf dem Felsen nahe dem Bach rekelte, malte sich aus, wie sie ihn dort unbekleidet willkommen hieß. In Gedanken erlebte er erneut den Moment ihres Kusses in der Halle von Droghallow, erinnerte sich sehr lebhaft an das Zusammentreffen ihrer Lippen, das stürmische Aufwallen seines Blutes, die erregende Wirkung, die ihr Körper auf den seinen ausgeübt hatte. Er wollte dieses Gefühl erneut spüren und wusste, er würde selbst die geringste Chance dazu nutzen, sobald sie sich ihm bot. Sinnlichen Freuden war er zwar nicht abgeneigt, allerdings war es noch nie nach seinem Geschmack gewesen, rehäugigen Jungfrauen die Unschuld zu rauben. Außerdem würde nur ein leichtsinniger Narr die erwartete Belohnung riskieren und dem Earl of Montborne mit einer Braut gegenübertreten, die auch nur den leisesten Eindruck erweckte, dass ihre Gesundheit, ihr Seelenheil oder ihre Jungfräulichkeit angetastet worden war.
Man hatte Griff schon wenig schmeichelhafte Namen in seinem Leben gegeben, ihn aber niemals einen Narren genannt. Er hegte nicht die Absicht, sich die Chance auf eine Belohnung zu verscherzen, dennoch hielt es ihn nicht davon ab, darüber nachzudenken. Es hielt ihn auch nicht davon ab, Isabel zu begehren.
Er wusste nicht, seit wie vielen Stunden er wach lag, den Blick auf die schlummernde Isabel gerichtet, und darüber nachgrübelte, wie seine Zukunft wohl aussehen würde, nun da er Droghallow den Rücken gekehrt hatte. Die Nacht verstrich in aller Stille, doch er war viel zu rastlos, um schlafen zu können. Er hielt sich die Gefahren ihres Unterfangens ständig vor Augen und war stets auf der Hut. Nur gelegentlich erlaubte er sich, die Lider kurz zu schließen. Als die ersten Strahlen der Morgensonne durch die Ritzen der windschiefen Wände der Scheune fielen, entschied sich Griffin, Proviant für die Reise zu besorgen. Ohne Isabel zu wecken, die in ihrem Versteck einstweilen vermutlich sicherer aufgehoben war als bei ihm, legte er den Schwertgürtel an und ging hinaus.
Er hatte sein ganzes gespartes Geld mitgenommen, das er in einem Lederbeutel an seinem Wehrgehänge trug. Einige der Münzen genügten, um den Wirt zu überzeugen, aus dem Bett zu steigen und ihm Proviant für zwei Tage mitzugeben. Mit grummelndem Magen wartete Griff darauf, dass der beleibte alte Mann die Vorräte einpackte: einen Schlauch Wein, ein Stück kaltes Hammelfleisch und zwei Laibe Schwarzbrot. Einen Dank murmelnd, nahm er das Päckchen unter den Arm und trat hinaus in den taufrischen Morgen.
Obwohl er niemanden entdecken konnte, spürte er, dass er beobachtet wurde. Mit betont gleichgültiger Miene ging er die Straße entlang, derweil er mit Blicken unmerklich jeden Hof und jedes Haus nach Anzeichen eines Hinterhalts absuchte. Er verspürte das untrügliche Gefühl, dass sich in seiner Nähe jemand verstohlen bewegte und immer wieder kurz innehielt, wusste mit dem sicheren Instinkt eines
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