Die Ehre des Ritters (German Edition)
aussieht, seit sechs Monaten guter Hoffnung«, bemerkte eine andere Frau mit einem vielsagenden Zwinkern lachend. »Hüte dich vor der Liebe, Mädchen. Die lässt dich den Rest deines Lebens fett sein, weil du ein Kind nach dem anderen zur Welt bringst. Ich sollte es wohl wissen – ich habe selbst zwölf Kinder geboren, bevor ich dreißig Lenze zählte, und hätte bestimmt noch ein Dutzend mehr, wäre mein Henry nicht gestorben, Gott sei seiner verruchten Seele gnädig.«
Eine andere Frau lächelte Isabel an und schlug in die gleiche Kerbe. »Keine Frau mit Augen im Kopf würde ein Mannsbild wie das Eure jemals abweisen!«
Zustimmende Rufe und Gelächter kreisten um den Tisch. Isabel indes fühlte sich von der Fröhlichkeit förmlich erdrückt. Schwer lastete die Bürde der Lüge auf ihr, und sie befürchtete, sie könnte sich zu tief in dieses Lügengespinst verstricken, weshalb sie der plötzlichen Aufmerksamkeit rasch entkommen wollte. »Würdet Ihr mich bitte entschuldigen?«, fragte sie, bemüht, beiläufig und kränklich zu klingen. Den besorgten Blicken nach zu urteilen, die sie streiften, schien ihr Bemühen von Erfolg gekrönt.
»Oh, armes Schätzchen! Fühlt Ihr Euch unwohl?«
»Sie scheint mir eher verschnupft.«
»Nein, es ist alles in Ordnung«, erwiderte Isabel, während sie sich erhob. Dabei legte sie die Hand auf den Bauch, um das Bündel unter ihrem Kleid festzuhalten, damit es nicht verrutschte.
»Ist Euch übel?«, fragte die junge Frau ihr gegenüber. »Soll ich Euch nach draußen begleiten?«
Isabel schüttelte heftig den Kopf. »Nein, mir geht es gut. Ich denke, ich brauche nur etwas frische Luft.«
Mehrere der Frauen schnalzten mitfühlend mit der Zunge und begannen sich über ihre eigenen Schwangerschaften auszutauschen. Isabel ließ das Geschnatter hinter sich und eilte so schnell wie der Wind aus der großen Halle hinaus. Sie blieb erst stehen, als sie, eingehüllt vom Dämmerlicht des Korridors, gut vierzig Schritte den Gang hinuntergelaufen war. Mit dem Rücken an die kühle Steinmauer gelehnt, versuchte sie, ihr rasendes Herz zu beruhigen. Dabei fiel ihr Blick auf einen bemerkenswert schönen Teppich an der gegenüberliegenden Wand.
Es war eine farbenprächtige Darstellung einer Waldlandschaft aus sattgrünen Bäumen und buntem Laub. Rotwild äste auf der einen Seite, auf der anderen hielten sich geflügelte Feen an den Händen und tanzten unter den Augen eines schneeweißen Einhorns auf einem Fliegenpilz. Beim Anblick der Webarbeit fühlte sich Isabel sofort ruhiger, und unwillkürlich stiegen Erinnerungen an glücklichere, leichtere Zeiten in ihrem Leben auf. Zeiten, in denen sie an Waldelfen und Fabelwesen geglaubt hatte. Und an die wahre Liebe.
Diese Zeiten schienen eine Ewigkeit her. Wie kompliziert war ihr Leben doch in den vergangenen Tagen geworden. Und nicht nur ihr Leben, auch ihre Gedanken, ihre Gefühle. Nur wenige Tage war es her, seit man sie entführt und sie herausgefunden hatte, dass ihr Entführer Griffin war. Vor wenigen Tagen noch hatte sie ihn verachtet, sich nichts sehnlicher gewünscht, als so weit wie möglich von ihm entfernt zu sein. Und nun …
Nun war sie sich ihrer Gefühle nicht mehr sicher. Mit jeder Stunde, die verging, mit jedem Schritt, den sie Montborne näher kamen, nahm ihre Verwirrung zu. Sie fühlte sich hin- und hergerissen, war sich nicht mehr sicher, an was sie glauben sollte. War sich auch nicht mehr sicher, was sie wirklich wollte.
Seufzend beschloss sie, lieber zur Halle zurückzukehren, als ihr auffiel, dass sich der Wandteppich leicht bewegte. Überrascht senkte sie den Kopf und stellte fest, dass der Teppich eine Wölbung aufwies. Er hatte auch Füße. Zwei kleine rosa Seidenschuhe blitzten unter den Fransen hervor und verrieten das Versteck einer Elfe, die ganz entschieden sterblich war. Isabel wollte den kleinen Kobold gerade ansprechen, da vernahm sie Schritte im Gang. Gleich darauf erblickte sie ein gehetzt wirkendes Kindermädchen, das sich mit verzweifelter Miene die Stirne rieb.
»Guten Morgen, gute Frau. Ich nehme nicht an, Ihr habt kürzlich ein junges eigensinniges Mädchen hier entlangkommen sehen?«
»Nein«, erwiderte Isabel wahrheitsgemäß. »Niemand ist an mir vorübergekommen.«
»Oh, verflixt«, grummelte das Mädchen. »Ich fürchte, Pater Aldon wird nicht erfreut sein. Schon zum dritten Mal in dieser Woche ist es der kleinen Maid Marian gelungen, ihre Katechismusstunden zu schwänzen. Unglaublich, dass
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