Die Ehre des Ritters (German Edition)
ihrer Haut, als sie sich gegen Griffins festen Griff wehrte.
»Ruhig«, flüsterte er. Heftig begann sie, den Kopf hin- und herzuwerfen, und er legte seine Hand sanft auf ihre Stirn. »Es wird alles gut, Isabel, ich verspreche es dir.«
»Es tut so weh«, stieß sie mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor.
»Ich weiß. Ich bin auch fast fertig.« Er strich ihr eine feuchte Locke aus der Stirn und wünschte, er könnte ebenso leicht ihren Schmerz wegwischen. »Schließ die Augen«, sagte er sanft. »Versuch zu schlafen, mein Engel.«
Griff wusste nicht, wieso ihm der Kosename so unvermittelt über die Lippen gekommen war. Es war nicht seine Art, süße Worte zu gebrauchen oder jemanden mit hohlem, höfischem Wortgeklingel zu umschmeicheln. Isabel schien es jedoch zu beruhigen, und so sagte er das Kosewort noch einmal, wiederholte seinen Befehl mit sanfter Stimme und strich ihr über das Haar, bis ihr die Lider schließlich wieder zufielen. So schnell wie möglich verband er nun ihren Arm mit einem Streifen sauberer Seide aus ihrem Mieder. Als er sah, dass die Blutung gestillt war, lehnte er sich, immer noch neben ihr hockend, an die harte Höhlenwand zurück und sah zu, wie sie vor Erschöpfung einschlief.
Zum wohl tausendsten Mal durchlebte Griffin nun den Moment, in dem sich Isabel in die Flugbahn des Pfeiles begeben hatte. Zu spät hatte er erkannt, dass dieses dahinschnellende, surrende Stück Holz mit seiner rasiermesserscharfen Stahlspitze geradewegs auf ihn gezielt hatte – der sichere Tod. Und dann hatte sich Isabel plötzlich in die Schusslinie gebracht, war absichtlich in sie hineingeritten.
Griff konnte es immer noch nicht fassen. Noch nie in seinem Leben hatte er eine solch mutige Tat gesehen.
Stimmt nicht, regte sich sein Gewissen. Schon einmal war er Zeuge von solch großem Edelmut geworden, wie Isabel ihn bewiesen hatte. Und er hatte ihn zunichtegemacht.
In Hexford hatte er Isabel nur einen Teil dessen erzählt, was Dom der Tochter des Vogts angetan hatte. Absichtlich hatte er die Ereignisse ausgelassen, die sich einige Monate nach Sir Roberts Tod und Doms Aufstieg zum Earl zugetragen hatten. Er hatte ihr verschwiegen, was an dem Tag geschah, an dem Dominic von der freundlichen Unterstützung erfuhr, die sein Vater der Frau und ihrem frisch angetrauten Gatten gewährt hatte. Er hatte ihr nicht erzählt, dass Dom vor Wut außer sich geriet, als er erfuhr, dass Geld aus Droghallows Truhen – nun sein Geld – dazu verwendet wurde, ein Bauernpaar zu unterstützen.
Und er hatte ihr auch verschwiegen, dass er als Hauptmann der Garnison Dom, seinen Lord, zum Dorf begleiten musste, als dieser aus schierer Niedertracht beschlossen hatte, das Paar aus seinem Haus zu werfen und es niederzubrennen. Er hatte ihr auch verheimlicht, dass er pflichtschuldig die Waffe gezogen hatte, um seinen Lord zu schützen, als Dom die Frau packte und ihr Gatte sich auf ihn stürzen wollte, um seine Frau vor Doms Übergriffen zu schützen. Er war es gewesen, der sich zwischen den Mann und Dom gestellt hatte; er hatte den Bauern daran gehindert, mit dem Messer auf den Schänder seiner Gattin loszugehen.
Und er, Griffin, war es auch gewesen, der diesen Mann zur Strecke gebracht hatte. An diesem Tag hatte er zum ersten Mal getötet. Die Tat hatte ihn krank gemacht, ihm körperliche Übelkeit bereitet, denn er wusste, er hatte einen Mann umgebracht, dessen einziges Verbrechen darin bestanden hatte, aus Mut und Ehrgefühl jemandem zu Hilfe zu kommen, den er liebte. Sein Opfer war solch eine Verschwendung gewesen, denn es hatte seine Gattin letztendlich doch nicht vor Dom gerettet.
Schon oft hatte sich Griff gewünscht, er hätte damals seine Klinge auf Dom gerichtet. Aber das hatte er nicht getan, und er verbrachte die weiteren Jahre auf Droghallow damit, seinen Fehler inbrünstig zu bereuen. Nur weil er Sir Robert sein Wort gegeben hatte, blieb er auf Droghallow, doch er führte seine Aufgaben als Befehlshaber der Garnison in einer Art seelischer Erstarrtheit aus, mit dumpfer Gleichgültigkeit, die ihn ganz umfangen hielt … bis zu dem Tag, an dem er Isabel wiedersah. Sie hatte ihn wieder fühlen lassen, ihm Hoffnung gegeben. Ihre Gegenwart schien ihn zu einem besseren Menschen zu machen.
Er betrachtete nachdenklich das Blut, das seine Hände und die Tunika befleckte – Blut, das aufgrund ihrer Tapferkeit, ihres Edelmutes vergossen worden war –, und konnte nicht umhin, festzustellen, dass er sie enttäuscht und im Stich
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