Die Ehre des Ritters (German Edition)
hatte er seltsam klein ausgesehen, erinnerte sich Dom, wie ein bleicher Schatten des fröhlichen, männlichen Riesen, den sein Sohn so lange Zeit gefürchtet und bewundert hatte. Dom trat an das Bett und ergriff die sonnengebräunte Hand seines Vaters.
»Er fühlt sich so kalt an«, sagte er zu Alys, die hinter ihm stand. Ihre Lippen bebten, und ihre sanften Augen füllten sich mit Tränen. »Wir müssen etwas tun!«
»Ich hole den Priester«, flüsterte sie kummervoll, lief aus der Kammer und ließ die beiden Männer allein.
Dom wandte sich wieder um und wäre vor Schreck fast aus der Haut gefahren, weil sein Vater plötzlich ein einzelnes, unverständliches Wort ausstieß. »Pst, Vater«, sagte er und drückte die schlaffe Hand, die er fest umfangen hielt. »Seid ganz ruhig.«
Die Lider des Earls flatterten leicht und sein Körper zuckte. »Griffin«, flüsterte er. Doms Blut schien in seinen Adern zu Eis zu gefrieren. »Griffin … bist du das, mein Junge?«
»Ich bin es, Vater«, antwortete Dom, von quälendem, unerträglichem Kummer übermannt. »Ich bin es, dein Sohn.«
Doch Robert of Droghallow hörte ihn vermutlich nicht, denn im nächsten Augenblick tat er einen Atemzug und sein ganzer Körper wurde steif. Einen Augenblick später entwich dieser Atemzug mit einem Keuchen und all die Luft, die noch in seinen Lungen war, mit einem seltsamen, langen Rasseln, das das Ende seines Lebens verkündete.
Und dann war er gegangen.
Wenig später kehrte Alys mit dem Kaplan zurück, und auch Griffin trat kurz darauf in das Zimmer. Nachdem Dom die Hand seines toten Vaters losgelassen hatte, warf sich seine Stiefmutter weinend über ihren Gatten. Der Priester bekreuzigte sich und murmelte ein Gebet für Roberts Seele. Griffin stand in der Tür, das sandfarbene Haar vom Wind zerzaust, seine Wangen immer noch gerötet von dem Tag im Freien. Seine Augen blickten so traurig wie die eines jeden von Kummer übermannten Sohnes, seine markanten Züge waren angespannt, die Lippen fest zusammengepresst – ein Sechzehnjähriger, der zu stolz war, um zu weinen.
»Ich kann einfach nicht begreifen, dass er gegangen ist«, sagte er zu Dom, der zu ihm hinübergekommen war. »Heute Morgen schien es ihm noch gut zu gehen. Er schien so gesund wie immer und hat Scherze über ein Dutzend verschiedene Dinge gemacht. Es gab kein Anzeichen dafür, dass er krank war.«
Bei der Vorstellung, wie sein Vater neben Griffin ritt, ihm auf die Schulter klopfte, mit ihm scherzte und ihm die Zuneigung schenkte, die er seinem eigenen Fleisch und Blut stets verweigert hatte, bekam Doms Eifersucht noch ein wenig mehr Nahrung.
»Ich wünschte, ich hätte es gewusst«, sagte Griffin. »Ich wünschte, ich wäre hier gewesen. Hat er noch etwas zu dir gesagt, Dom? Irgendetwas, bevor er verschieden ist?«
Dominic hielt Griffins fragenden Blick fest und wählte seine Worte mit kühler Berechnung. »Ja, das hat er in der Tat. Er hat etwas gesagt«, antwortete er gelassen. »Er sagte, er sei froh, dass ich an seiner Seite sei. Er sagte, er sei stolz, mich – seinen Sohn – in seinen letzten Augenblicken auf dieser Erde an seiner Seite zu wissen.«
Dom verstand nicht, warum Griffin die Lüge so ungerührt hinnahm. Er verstand auch nicht, warum er auf Droghallow blieb, nachdem Dom den Titel des Earls übernommen hatte, ein Titel, der es ihm erlaubte, über seinen Stiefbruder und das restliche Volk zu herrschen, wie er es sich immer erträumt hatte. Er herrschte mit fordernder, unerbittlicher Hand, was seinen Vater vielleicht doch noch stolz auf ihn gemacht hätte.
Dom hätte Griffin leicht und ohne Gewissensbisse der Burg verweisen können. Sicherlich wäre Alys nicht damit einverstanden gewesen, aber ihre Einwände hätte er mit einer Handbewegung abtun können. Bald darauf, im Winter nach dem Tod ihres Gatten, starb sie ohnehin an einem Fieber. Er hielt es indes für amüsanter, Griffin auf Droghallow wohnen zu lassen, damit der idealistische Goldjunge ihm als Hauptmann seiner Wachen diente. Dom hatte sich viel Mühe gegeben, ihn zu verderben. Stets hatte er ihm die unangenehmsten Aufgaben übertragen und mit verstohlener Schadenfreude zugesehen, wie Griffins verfluchter Edelmut allmählich, Tag für Tag, Jahr für Jahr, mehr an Glanz verlor.
So betrüblich es auch sein mochte, sich die Erkenntnis einzugestehen, aber Griffin war der geborene Anführer. Selbst in seiner verblendeten Feindseligkeit konnte Dom diese Tatsache klar und deutlich erkennen. An
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