Die Eifelgraefin
falsch aufsagte. Er schien sich dessen aber bewusst zu sein, denn die wichtigen Stellen wiederholte er sicherheitshalber mehrmals. Niemand schien es zu stören, vielleicht fiel es keinem der Anwesenden auf.
Elisabeth war jedenfalls froh, als der Gottesdienst vorbei war und die Familie sich für ein leichtes Frühstück im Speisezimmer traf. Da die Hauptmahlzeit des Tages am Mittag eingenommen wurde, gab es nur ein wenig Obst, Brot und Käse. Danach zeigte Hedwig ihr die gesamte Burganlage und half ihr schließlich, zusammen mit Leni, die Reisekisten auszupacken.
Nach dem Mittagsmahl zog sich Hedwig mit ihren beiden Edeljungfern zu einer Unterrichtsstunde im Sticken in ihre Kemenate zurück. Deshalb bat Elisabeth ihren Beichtvater, sie zu einem kleinen Spaziergang über das Burggelände zu begleiten. Vor dem Pferdestall trafen sie auf Johann, der sich gerade mit einem der Stallknechte über ein Pferd zu unterhalten schien, das ein Hufeisen verloren hatte. Jedenfalls hielt er ebenjenes Eisen in der Hand und gestikulierte damit. Als er sie erblickte, ließ er den Arm sinken und nickte ihr höflich zu.
Elisabeth blieb überrascht stehen und erwiderte seinen Gruß. «Wie es scheint, habt Ihr Eure üble Laune inzwischen überwunden», sagte sie ein wenig spitz. «Das ist höchst erfreulich.» Sie bemühte sich, nicht seine Narbe anzustarren, doch ihr Blick blieb immer wieder daran hängen.
Johann schien daran gewöhnt zu sein, denn er ignorierteihre Blicke. «Schön, dass ich Euch mit so wenig Anstrengung meinerseits zu erfreuen vermag. Doch nach einem Tage wie gestern war mein größtes Begehr ein warmes Bett, nicht leichte Unterhaltung.»
«Dann war Euer Schlaf erholsam?» Seine noch immer kurz angebundene Art und die Tatsache, dass er nicht daran zu denken schien, sich bei ihr für sein unhöfliches Betragen am Vorabend zu entschuldigen, reizten sie zu einer weiteren spitzen Bemerkung. «Immerhin habt Ihr wohl die heilige Messe verschlafen, zu der Vater Ambrosius eigens aus Kempenich heraufgekommen ist.»
Johanns Lippen verzogen sich spöttisch. «Die heilige Messe heute früh, ach ja. Sagt, wie ging es dem guten Herrn Pfarrer? War er wieder nüchtern? Soweit ich weiß, war nämlich gestern der Leichenschmaus für den Schuhmachermeister Otto Aaren unten in der Stadt. Wie oft hat Vater Ambrosius denn heute das Paternoster wiederholt, bis er es vollständig aufsagen konnte?» Unerwartet zwinkerte er ihr zu, und ein winziges Lächeln huschte über seine Lippen. «Zerbrecht Euch nicht meinen Kopf, Jungfer Elisabeth. Wenn ich Gottes Segen nötig habe, erhalte ich ihn, auch ohne Vater Ambrosius.»
Damit wandte er sich ab und ging in den Stall.
Elisabeth blickte ihm sprachlos hinterher.
Bruder Georg verschränkte die Hände in den Ärmeln seines Habits und schüttelte tadelnd den Kopf. «Elisabeth, dieser Mensch ist unmöglich und ganz sicher kein Umgang für Euch. So etwas Unerhörtes habe ich ja noch niemals gehört! Hat er denn keine Angst um sein Seelenheil? Kommt, lasst uns weitergehen.»
Elisabeth nickte. «Ich stimme Euch zu, Bruder Georg. Johann von Manten ist ein merkwürdiger Mensch. Aber was Vater Ambrosius angeht, hatte er recht.»
«Und wenn schon! Das ist keine Entschuldigung dafür, der heiligen Messe fernzubleiben.» Bruder Georg hatte in dieser Hinsicht strenge Prinzipien, deren Einhaltung er auch von seinen Mitmenschen erwartete. Als jüngerer Sohn einer niederadligen Familie war er schon im Alter von acht Jahren in die Obhut des Benediktinerordens gegeben worden und hatte im Dienst an Gott und seinen Mitmenschen seine Berufung gefunden. Und wenn er auch, wie Elisabeth wusste, ein herzensguter Mann war, konnte ihn doch Nachlässigkeit in Glaubensfragen leicht reizen und in Rage bringen. Deshalb wechselte Elisabeth rasch das Thema, um die Stimmung nicht zu verderben, und ging mit ihrem Beichtvater zu Hedwigs liebevoll gepflegtem Kräutergarten. Sie bewunderten gerade die üppigen Petersilienstauden, als vom Zwinger her Hufgetrappel laut wurde. Ein Ritter zu Pferd, der einen Esel mit sich führte, auf dem ein junges Mädchen saß, tauchte im Torbogen auf. Der Ritter, ein etwas korpulenter junger Mann mit dünnem hellbraunem Haar, führte die beiden Tiere zum Pferdestall, ließ das Mädchen absteigen und übergab Pferd und Esel dem Stallknecht. Dann wandte er sich zum Palas, doch der Knecht hielt ihn mit einer Bemerkung, die Elisabeth nicht verstehen konnte, zurück.
Der Ritter blickte in ihre
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