Die Eifelgraefin
von der Abendtafel auf. «Ich werde Boten ausschicken, um in den Dörfern bekannt zu geben, dass die Bauern ihre Höfe möglichst nicht verlassen sollen. Solange wir nicht wissen, wie sich diese Pestilenz verbreitet, ist es so am sichersten.» Er legte der mittlerweile schluchzenden Hedwig eine Hand auf die Schulter. «Ich will, dass Ihr die Burg nicht mehr verlasst.» Sein Blick streifte Elisabeth und die beiden jüngeren Edeljungfern. «Niemand von Euch, ist das klar? Wir dürfen kein Risiko eingehen.»
Gertrud und Herzelinde nickten mit betretenen Gesichtern.
Elisabeth schwieg. Sie hatte am Vortag einen Boten zur Küneburg schicken lassen, um dort nachzufragen, ob mit ihrer Familie alles in Ordnung sei. Mit etwas Glück würde sie morgen die Antwort erhalten.
Als Simon und Johann das Speisezimmer verlassen hatten, herrschte dort beklommenes Schweigen.
«Kommt, Mädchen.» Hedwig stand auf und winkte Herzelinde und Gertrud. «Ziehen wir uns in die Kemenate zurück. Wir dürfen jetzt nicht in Trübsinn verfallen. Ich schlage vor, wir singen gemeinsam ein paar Lieder. Elisabeth, möchtet Ihr Euch uns anschließen? Und Frau Jutta ebenfalls?»
«Später vielleicht», antwortete die Gräfin.
Auch Elisabeth nickte, machte jedoch keine Anstalten aufzustehen. Die Sorge um ihre Familie lastete wie ein Stein auf ihrem Herzen. Noch immer hatten sie keine Nachricht über die Rückkehr ihres Vaters erhalten. Was, wenn auch er unterwegs der Pestilenz zum Opfer gefallen war?
Auch Johanns Anwesenheit auf der Burg trug nicht unbedingt zu Elisabeths Seelenfrieden bei. Er begegnete ihr seit seiner Ankunft höflich und distanziert. Natürlich hatte sie bereits von Hedwig erfahren, dass seine Verlobung mit Maria Grosse nicht stattgefunden hatte. Doch sie konnte sich nicht recht entscheiden, ob sie froh darüber sein sollte oder empört, weil dieser Einhard von Maifeld sich auf derart durchtriebene Weise für den Vorfall zu Ostern gerächt hatte. Wahrscheinlich war sie beides, obwohl der Anflug von Erleichterung inzwischen mehr und mehr einem Gefühl der Verzweiflung wich, da Johann sie wie eine Fremde behandelte.
«Ihr seht gar zu betrübt aus», sprach Jutta sie an. «Auch Euch beschäftigt diese unselige Krankheit, nicht wahr? Kein Wunder, nachdem Ihr bereits Euren Verlobten an sie verloren habt.» Die Gräfin rückte etwas näher an Elisabeth heran. «Habt Ihr denn inzwischen meinen Rat befolgt und Euch nach einem neuen potenziellen Gemahl umgesehen?Nicht? Oder möchtet Ihr es einfach nicht verraten? Das verstehe ich gut, in solchen Angelegenheiten braucht man Fingerspitzengefühl.» Jutta lachte leise. «Um ganz ehrlich zu sein, Graf Notker bat mich, bei Euch vorzufühlen, ob Ihr möglicherweise auch eine Verbindung mit unserer Familie in Erwägung ziehen würdet.» Sie zwinkerte verschwörerisch, als sie Elisabeths erschrockene Miene sah. «Keine Angst, dieses Gespräch bleibt unter uns. Aber bestimmt habt Ihr schon von dem … nun ja, Missgeschick mit der Maria Grosse erfahren. Ärgerlich, denn eine Ehe mit ihr wäre für Johann nur von Vorteil gewesen. Nach dem, was wir über die Umstände und Hintergründe dieser Angelegenheit erfahren haben, drängte sich uns allerdings der Eindruck auf – verzeiht, wenn ich so offen spreche –, dass Johann möglicherweise nicht ganz so uneigennützig zu Eurer Hilfe geeilt ist, wie er behauptet. Deshalb möchte ich Euch hier und jetzt fragen, ob zwischen Euch und Johann irgendeine Art von Verbindung oder Absprache besteht.»
Elisabeth schüttelte schweigend den Kopf, spürte jedoch, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg.
Juttas Miene wurde ernst. «Also nicht. Aber ich gehe davon aus, dass dies nicht durch eine Abneigung Eurerseits verhindert wird.» Sie seufzte und faltete die Hände auf dem Tisch. «Johann hat sich bisher niemals dem Willen seines Vaters widersetzt. Jedenfalls nicht in Angelegenheiten, die unsere Familie oder das Wohlergehen unserer Lehnsleute angingen. Deshalb frage ich mich, weshalb er sich mit solchem Nachdruck weigert, um Euch zu werben. Könnt Ihr mir eine Antwort darauf geben, Jungfer Elisabeth?»
«Nein.» Elisabeth war froh, dass ihre Stimme nicht schwankte.
Jutta nickte. «Dann tue ich es. Ihm liegt etwas an Euch. Wäre dem nicht so, würde er keinen Augenblick zögern, Euch den Hof zu machen.»
Das hatte Elisabeth inzwischen selbst begriffen. Ratlos blickte sie Jutta an. «Warum?»
Die Gräfin sah ihr eindringlich in die Augen. «Das fragt Ihr
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