Die Eifelgraefin
Albert, der die Pflege seiner Kameraden übernommen hatte.
«Wie konnte das passieren?»
Albert zuckte mit den Schultern. «Wer weiß das schon? Diese Pest ist anscheinend überall; sie fliegt durch die Luft wie der Leibhaftige! Ich rate Euch, bringt Euch und Eure Familie in Sicherheit, solange Ihr dazu noch in der Lage seid!»
Martin nickte, musterte den Matrosen jedoch argwöhnisch. «Was ist denn mit Euch – habt Ihr keine Angst?»
Schweigend schob Albert den Kragen seines Hemdes beiseite, sodass Martin die kleine Beule am Nacken sehen konnte. «Ich hoffe bloß, dass wenigstens Carlo lange genug lebt, um uns alle zu begraben.» Albert wies mit dem Kinn auf den Jungen, der eben mit einem Eimer Wasser in die Kajüte kam.
Erst als Martin sein Haus erreichte, erlaubte er es sich, durchzuatmen und nachzudenken. Die Pestilenz aus dem Süden. Offenbar hatte Brig sie auf der
Ludwina
mit hergebracht. War sie womöglich schon weiter in die Stadt vorgedrungen? Dann musste der Stadtrat umgehend informiert werden.
Martin riss die Tür zu den Wohnräumen auf und stürmte die Treppen hinauf in die Stube, wo seine Mutter und seine Schwestern gerade dabei waren, ein neues Tischtuch zu besticken. Bedächtig nahm er seiner Mutter die Nadel aus der Hand, legte sie auf den Tisch und umfasste dann ihre Schultern. «Packt ein paar Sachen ein, ihr müsst sofort die Stadt verlassen!»
***
«Luzia, geh du hinaus und bring den Herrschaften den Wein», befahl Thea und schwang einen großen Knüppel, der einen Moment später krachend auf dem Boden aufschlug. Mit grimmiger Miene packte die Köchin die erschlagene Ratte am Schwanz und warf sie aus dem Fenster. «Mistviecher», schimpfte sie. «Wir haben eine verdammte Rattenplage auf der Burg.» Ungeduldig winkte sie Luzia. «Nun geh schon, Mädchen, es ist doch Besuch gekommen!»
Hastig nahm Luzia den Weinkrug und ein paar Becher und rannte nach draußen. Notker von Manten war mit seiner Gemahlin und seinem gerade wenige Wochen alten Sohn eingetroffen. Während sie den Herrschaften von dem kühlen Tropfen einschenkte, hörte sie, was Jutta von Manten Simon und Hedwig erzählte.
«Es ist einfach unfassbar, aber sieben Bedienstete sind bereits erkrankt. Mein Gemahl fand es deshalb viel zu gefährlich für mich, dort zu bleiben.» Die Gräfin trank einen Schluck und fuhr fort: «Gewiss ist es sicherer auf unserem Gut in Rheinbach.» Sie wandte sich an ein hübsches blondesMädchen, das sich etwas im Hintergrund hielt. «Nicht wahr, Adele, wir werden uns dort verkriechen, bis diese Pestilenz weitergezogen ist. Johann wird uns schon sicher dorthin bringen.»
«Er müsste bald aus Ahrweiler zurück sein», griff Simon das Stichwort auf. «Lasst uns drinnen auf ihn warten. Hier in der Sonne ist es doch viel zu heiß.» Er nickte Notker zu. «Du reitest sogleich wieder zurück, nehme ich an?»
«Es bleibt mir nichts anderes übrig», bestätigte Notker mit einem besorgten Blick auf den Säugling, der ruhig in den Armen der Amme schlummerte. «Ich muss auf der Mantenburg nach dem Rechten sehen und noch einige Vorkehrungen treffen, bevor ich meiner Familie folgen kann.»
«Keine Sorge, wir kümmern uns um Frau Jutta und sorgen dafür, dass sie und der kleine Notker morgen wohlbehalten nach Rheinbach gebracht werden», versicherte Simon.
Notker nickte. «Ich danke dir.» Damit schwang er sich wieder in den Sattel und trabte durch das Tor in den Zwinger.
«Gehen wir hinein», sagte Hedwig und hakte sich fürsorglich bei Jutta unter. «Eine scheußliche Krankheit, nicht wahr? Aber sorgt Euch nicht, meine Liebe. Hier auf der Burg und unten im Ort ist niemand krank.»
***
«Ahrweiler hat die Stadttore geschlossen», berichtete Johann, als er am frühen Abend von seinem Besuch beimStadtrat von Ahrweiler nach Kempenich zurückkehrte. «Sie lassen weder Händler noch Bauern hinein», fuhr er fort. «Selbst ich durfte nur mit der offiziellen Einladung die Stadt betreten. Die Bauarbeiten an der neuen Zollschranke kurz vor der Stadt ruhen, weil drei der fünf Arbeiter erkrankt sind. Und es heißt, innerhalb der Stadtmauern sterbe bereits jeden Tag ein Mensch.»
«Grundgütiger Gott!» Hedwig schlug entsetzt die Hände vors Gesicht. «Wie grauenhaft.»
Auch Simon wirkte entsetzt. «Wir veranlassen, dass ab morgen auch für Kempenich ein Handelsverbot ausgesprochen wird. Wenn wir die Tore rechtzeitig schließen, bleiben die Bewohner vielleicht verschont.» Er schob seinen Stuhl zurück und stand
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