Die Eifelgraefin
ihn besser selbst. Doch tut es nur, wenn Ihr sicher seid, dass Ihr die Antwort auch ertragen könnt.» Plötzlich lächelte sie wieder. «Johann ist ein guter Mann. In vielerlei Hinsicht besser als sein Vater. Aber überlegt Euch trotzdem gut, was Ihr tut und wie Ihr Euch entscheidet. Ich wollte einst nichts anderes, als die Gemahlin Notker von Mantens zu werden.» Sie tätschelte Elisabeths Arm. «Wie Ihr seht, ist es mir geglückt. Leider liebe ich ihn von ganzem Herzen … Das war und ist mein Fehler.» Abrupt stand Jutta auf und ging zur Tür. «Ich ziehe mich nun zurück. Gute Nacht, Jungfer Elisabeth.»
Nach diesem merkwürdigen Gespräch saß Elisabeth noch eine lange Weile im Speisezimmer und dachte nach. Sie wurde aus Johanns Stiefmutter nicht klug. Sie wirkte so heiter und fröhlich, doch ihre letzten Worte ließen darauf schließen, dass ihr Leben nicht das war, was sie sich erhofft hatte. Und dann ihre Andeutungen, was Johann betraf. Natürlich würde Elisabeth ihn nicht darauf ansprechen. Wie auch, wenn er ihr konsequent aus dem Weg ging. Aber was auch immer der Grund für sein Verhalten war – die Ursache lag in seiner Familie, da war sie sich mittlerweile ganz sicher.
Bedrückt über diese vertrackte Situation, stieg sie zuihrer Kammer hinauf. Das Kruzifix summte nach wie vor in der Truhe. Elisabeth kniete sich vor ihr Bett und faltete die Hände zu einem stillen Gebet, doch ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Schließlich trat sie an eines der weitgeöffneten Fenster und ließ ihren Blick über die Hügel und Baumwipfel wandern. Die Sonne war inzwischen untergegangen, doch das Tageslicht noch nicht der Dämmerung gewichen. Eine Vielzahl von Vögeln hielt ihr Abendkonzert ab, und obwohl sie so weit oben stand, konnte sie auch das Zirpen der Grillen vernehmen und das Quaken der Frösche im Burggraben.
Sie brauchte sich nichts vorzumachen. Ganz gleich, was in Johanns Vergangenheit vorgefallen sein mochte, es würde ihre Gefühle für ihn nicht ändern. Das war es vermutlich, wovor Jutta sie hatte warnen wollen. Liebe konnte Leid verursachen. War es das, was Johann bewog, sie immer wieder von sich zu stoßen? Damit er nicht Gefahr lief, ein solches Leid zu erleben?
Als sie Luzias Schritte hinter sich hörte, wollte sie sich vom Fenster abwenden. Doch im gleichen Moment lief es ihr kalt über den Rücken.
Ein leichter Windhauch trug den Klang der Totenglocke von Kempenich herauf.
34. KAPITEL
Klaus Nettepeter war der zweite Pesttote, den Kempenich zu beklagen hatte. Ihm folgten jedoch innerhalb weniger Tage seine Eltern und schließlich der Rest der Familie. Bald läuteten die Totenglocken immer öfter, und kurz darauf klagte auch einer der Knechte auf der Burg über Kopf- und Gliederschmerzen. Das Fieber folgte auf dem Fuße, ebenso die tückischen Beulen an Hals, Achseln und in den Lenden.
Simon gab seinen Leuten den Befehl, den Mann ins Gesindehaus zu bringen, wo sich eine Magd um ihn kümmern sollte. Hedwig war jedoch so entsetzt darüber, dass sie sich mit ihren Kindern und deren Ammen in ihrer Kemenate einschloss und sich weigerte, diese zu verlassen, bevor nicht sicher war, dass die Krankheit weitergezogen war. Auch Gertrud und Herzelinde schlossen sich ihr an, jedoch nur so lange, bis sie von ihren Familien abgeholt und zu ihren Heimatburgen gebracht werden sollten.
Auch Elisabeth blieb die meiste Zeit in ihrer Schlafkammer. Die Sorge um ihre Familie steigerte sich von Tag zu Tag, denn der erwartete Bote blieb aus. Luzia, die ihr ständig Gesellschaft leistete, war kaum in der Lage, ihr Trost zu spenden, denn auch sie bangte um ihre Familie. Tagtäglich erreichten Berichte von neuen Krankheitsfällen und zahllosen Toten die Burg. Da Elisabeth ihr untersagt hatte, dasBurggelände zu verlassen, blieb ihr nichts anderes übrig, als bei ihrer Herrin auszuharren und sich mehr schlecht als recht mit der Lektüre der beiden Bücher abzulenken. Sie hielt die Ungewissheit und die bösen Träume, die sie Nacht für Nacht heimsuchten, kaum noch aus und hatte schon mehrfach darüber nachgedacht, sich heimlich des Nachts davonzustehlen und nach Blasweiler zu laufen. Sie verwarf ihre konfusen Pläne jedoch immer wieder, denn sie wollte ja auch Elisabeth nicht alleine lassen. Außerdem wurden die Tore mittlerweile streng bewacht und nachts natürlich fest verschlossen. Es gab also gar keine Möglichkeit, ungesehen hinauszugelangen.
***
Johann hatte seine Stiefmutter sowie den Rest der
Weitere Kostenlose Bücher