Die Eifelgraefin
die Gasse hinaufgetrieben. Die Tiere schienen den Handkarren eines anderen Bauern umgeworfen zu haben, und nun jagte er den Schweinen nach und stritt dabei lautstark und unflätig mit dem Schweinehirten.
Hedwig lehnte sich wieder zurück. «Das dauert wohl noch etwas. Hach, ich bin immer so herrlich müde nach einem Besuch im Badehaus. Bitte weckt mich, falls ich einschlafen sollte.» Sie lehnte ihren Kopf gegen das Rückenpolster der Sänfte, faltete die Hände über ihrem gewölbten Bauch und schloss die Augen.
Auch Elisabeth lehnte sich zurück, ließ eine Seite der Vorhänge jedoch geöffnet. Die Sänfte setzte sich wieder in Bewegung, es ging jedoch nur ein paar Schritte weiter. Sie hielten auf der Höhe des Hauses mit der Schlange und dem Apfel auf der Tür. Diese stand offen. Eine grauhaarige Fraumit enormem Leibesumfang stand im Eingang, stützte sich auf einen Besen und beobachtete das Spektakel mit den Schweinen. Sie trug ein nachlässig gebundenes graues Kopftuch und ein Kleid in ebensolcher Farbe.
Als hinter ihr eine weitere Frau auftauchte, bewegte die Alte sich ein Stückchen beiseite. Die zweite Frau war noch recht jung und trug ein ungewöhnlich tief ausgeschnittenes gelbes Kleid, das die weißgepuderte Haut ihres üppigen Busens betonte. Ihr hellblondes Haar war zu großen Schnecken geflochten, die sie in silbernen Haarnetzen hochgebunden hatte. Sie flüsterte der Alten etwas zu, woraufhin diese breit grinste und noch einen Schritt beiseitetrat. Die Blonde blickte in den Gang des Hauses zurück, und Elisabeth sah, dass sie wieder etwas sagte. Die Worte waren freilich auf die Entfernung nicht zu verstehen, aber offenbar an jemanden im Inneren des Hauses gerichtet.
Im nächsten Moment trat ein Mann aus der Tür des Dirnenhauses. Elisabeth riss überrascht die Augen auf. Der Mann war groß und kräftig, mit ungewöhnlich dunkelrotem Haar und einer hässlichen Brandnarbe, die vom Kragen seines Hemdes über seine rechte Halshälfte bis in den Nacken reichte. Er schwankte leicht, offenbar war er betrunken. Als er die Arme bewegte, konnte Elisabeth rötlich braune Narben auf seinen Händen erkennen.
Ganz ohne Zweifel handelte es sich bei dem Mann um jenen Martin Wied, von dem Hedwig gesprochen hatte. Nicht nur seine Narben bewiesen es, sondern auch die reichverzierte Kaufmannskluft, die er trug.
Hinter ihm tauchte eine weitere Gestalt auf – Johann von Manten.
Elisabeths Herz machte vor Überraschung einen Satz und klopfte dann heftig weiter.
Als Johann gewahr wurde, dass Wied erneut schwankte, packte er ihn am Arm und stützte ihn. Elisabeth hielt die Luft an, als sie beobachtete, wie der Kaufmann sein Gesicht ärgerlich verzog und versuchte, Johann abzuschütteln. Dieser sagte etwas, woraufhin Wied sich wieder zu beruhigen schien. Er blieb stehen und wartete, während Johann zu der blonden Dirne zurückging und ihr etwas in die Hand drückte. Elisabeth vermutete, dass es sich um den Lohn für ihre Liebesdienste handelte, denn sie verneigte sich übertrieben tief, sodass er unweigerlich auf ihren halb entblößten Busen schauen musste, und lächelte ihm dann keck zu. Sie hakte sich bei ihm unter und flüsterte ihm etwas ins Ohr, das ihn auflachen ließ. Hoffnungsvoll versuchte sie ihn ins Haus zurückzuziehen, doch er schüttelte den Kopf, wies auf den Kaufmann und löste sanft ihre Hände von seinem Arm.
Die Dirne machte ein enttäuschtes Gesicht, zog sich jedoch ins Innere des Hauses zurück. Johann ging zu Wied zurück und packte ihn an der rechten Schulter.
In diesem Moment flitzten zwei Schweine auf die Sänfte zu. Die Träger fluchten und traten nach den Tieren. Der Schweinehirt schimpfte laut und rannte hinter den beiden Schweinen her.
Durch den erneuten Tumult wurde nun auch Johann aufmerksam. Er schaute zur Gasse, sah die Sänfte, und Elisabeth erstarrte, als er ihr direkt ins Gesicht blickte.
Die Träger setzten sich wieder in Bewegung, und Johann verschwand aus Elisabeths Blickfeld. Noch immer klopfteihr Herz heftig; verwirrt und auch etwas entsetzt zog sie den Vorhang zu und ließ sich gegen das Rückenpolster sinken.
***
Johann starrte benommen der Sänfte hinterher. War das tatsächlich Elisabeth gewesen, die er darin erblickt hatte? Was hatte sie hier zu suchen? Dass er ihr ausgerechnet an diesem Ort begegnen musste, passte ihm überhaupt nicht. Immerhin hatte er gerade ein Hurenhaus verlassen.
Beim Gedanken daran wurde ihm bewusst, dass er noch immer neben Martin Wied stand
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