Die eingeborene Tochter
Parthogenese.«
»Was, zum Teufel, sagen Sie da?«
»Eins meiner Spermien begann sich ohne Ei zu teilen.«
»Was?«
»Nun… ein Ei unbekannter Herkunft.«
Sofort erwachte Georginas schlafender Katholizismus. Sie bekreuzigte sich, flüsterte: »Gott… Mutter«, näherte sich vor Ehrfurcht zitternd der Wiege.
»Wow – ich wußte doch, Gott hat auch Eier!« Sie faßte den Beißring an der Wiege und atmete tief wie ein Yogi. »Wissen Sie, was das da ist? Wir erleben hier einen jener Augenblicke, da die göttliche Mutter sich selbst in die menschliche Geschichte einmischt und die Dinge in Bewegung bringt.«
»Gott?« Murray spielte mit dem schwedischen Mobile. »Sie sagen Gott?«
»Nicht Gott Gott, ich sage GOTT Gott. Gott hinter Gott.« Georgina entwarf mit gespreizten Fingern und ausgebreiteten Armen ihr Pantheon. »Der Geist absoluten Seins, die Weltmutter, die weise Göttin, der Ur-Hermaphrodit.«
»Ich glaube nicht an Gott«, sagte Murray.
»Hören Sie, ein Ereignis wie dieses können Sie nicht erklären, ohne Gott ins Spiel zu bringen. Dieses Kind hat eine Mission. Dieses Mädchen wurde gesandt!«
»Nein, es gibt andere Erklärungen, Georgina. Eine Gotteshypothese geht eindeutig zu weit.«
»Aber ein Baby in einem Glasbehälter aufziehen, das geht nicht zu weit, glauben Sie? Sie sind doch schon zu weit gegangen, Mur!« Die hochschwangere Georgina stampfte über Haufen schmutziger Wäsche durch den Raum. »Eine jungfräuliche Empfängnis – was für eine Sensation! Haben Sie je ›Die größte Geschichte aller Zeiten‹ gesehen? Als Jude haben Sie das vielleicht nicht mitbekommen. Also, John Wayne ist der Centurio, und er steigt auf die Schädelstätte und sagt: ›Wahrlich, dieser Mann war Gottes Sohn.‹ Der Sohn – und jetzt haben wir die andere Hälfte von dem Paar. Sensationell!«
»Irgendein Spaßvogel hat ein Ei in meine Probe getan, das ist alles.«
»Wir müssen es der ganzen Welt mitteilen! Ein Telegramm an den Papst! Erst der Sohn, jetzt die Tochter. Verstehen Sie?«
Jetzt die Tochter. Gottes Tochter. Murray zuckte zusammen. Er glaubte nicht an Gott, aber er glaubte auch nicht an den Spaßvogel, der das Ei in seine Probe getan hatte.
»Papst? An den Papst? Ich will es überhaupt keinem erzählen, es tut mir schon leid, daß ich’s Ihnen erzählt hab. Baby-Bank gesprengt – schon vergessen? Was immer da los war, irgendwer hat die Kleine fast umgebracht. Sie hat jetzt schon Feinde. Feinde, Georgina.«
Die Freundin blieb stehen und setzte sich auf den Wäschekorb. Wie zu dieser Tageszeit üblich, erwachte der Fetus, gähnte und reckte die Stummelärmchen.
»Hmm«, sagte Georgina. Sie nahm geistesabwesend Socken vom Trockengestell und legte sie paarweise zusammen. »Mur, Sie haben vollkommen recht – Jesus Christus’ Schwester muß sicher auf sich aufpassen, zumindest, bis sie ihre Mission begriffen hat.«
Der feueratmende Wurm in der Luftröhre, Murrays Sodbrennen, kehrte zurück. »Sie ist nicht Jesu Schwester.«
»Halbschwester.« Georgina klatschte mit der flachen Hand auf die Waschmaschine, der Fetus schreckte auf. »He, Kleine, dein Geheimnis ist bei mir sicher aufgehoben! Für mich ist sie halt das Mädchen von nebenan, sie hat von Gott noch nicht mal was gehört. Schon einen Namen ausgesucht?«
»Einen Namen?«
Am Morgen seines vierten Tages an der Newark Senior High School war sie plötzlich bei Murrays Bus aufgetaucht, Julie Dearing, reich und verzogen – eine protestantische Prinzessin hätte Papa sie genannt, allein mit ihrem wunderschönen Gesicht hätte sie eine kaputte Uhr zum Gehen bringen können; und den Körper hätte man schlicht verbieten sollen. Sie hatte ihr Geographiebuch im Gang fallenlassen. Murray hatte es aufgehoben. Tiefer wurde die Beziehung nicht.
»Julie.« Murray wies auf das dichte schwarze Haar des Fetus. »Sie heißt Julie.«
»Schön. Sie wissen, Sie haben hier eine goldene Gelegenheit, Julie ist ja praktisch in der Außenwelt! Sie können jetzt schon mit der Vorschulerziehung anfangen. Sprechen Sie durch das Glas mit ihr, Mur! Spielen Sie Musik! Zeigen Sie ihr Schautafeln wie in der Schule!«
»Schautafeln?«
»Yeah. Bilder von Präsidenten. Buchstaben. Und richten sie das hier drin ein bißchen her! Sieht aus wie ein Außenklo. Tierbilder müssen an die Wände. Helle Farben. Das Mobile ist schon mal ein guter Anfang.«
»Sicher«, sagte Murray, »mach ich. Tierbilder.« Auf Julies Gesicht erschien ein Lächeln – ätherisch, da und
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