Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
Georgina schmeckte es. Behauptete sie wenigstens. Und so gab es weitere Dinner, zwei- oder dreimal die Woche. In Murray hatte sie den idealen Zuhörer gefunden – erzählte von ihrer Schwangerschaft, von ihren verrückten Theorien über frühkindliche Förderung (jedes Baby ein latentes Genie), ihre grandiosen Gedanken zur menschlichen Existenz. Sie war Katholikin (nicht praktizierend); dilettierte in einer Art feministisch geprägtem Heidentum. Träumerin und Pragmatikerin in einem; praktische Mystikerin. Ihre dauernd verlegten Schlüssel suchte sie mit numerologischen Methoden, Pyramidologie diente dazu, ihr Schweizer Armeemesser zu schärfen. Sie schilderte Murray ihre Philosophie. Erschöpfend. Für Georgina Sparks konnte man ein brillantes Kind einerseits durch vorschulische Maßnahmen beeinflussen, berechnen gewissermaßen, andererseits war ein Kind auch etwas, das man durch Hereinlassen kosmischer Einflüsse einfach geschehen ließ.
    Keine Elternschaft ohne Verbindung von kognitiver Psychologie mit dem Geist der absoluten Wesenheit! Nach jedem Abendessen saßen Murray, Georgina und Murrays Katze Spinoza auf der Leuchtturmpromenade und beobachteten Segelboote und die Kabinenjachten der Apokalyptiker auf der Bucht.
    »Ich hab ein Geschenk für Sie«, sagte sie eines Abends. Die sinkende Sonne sprenkelte den Himmel mit Rot und Purpur. Sie öffnete ihren Rucksack und nahm eine Packung brandneuer Kondome aus Smitty’s Smile Shop heraus. Sie leitete den Laden. Die Hüllen waren mit den Porträts in Verruf geratener Geistlicher geschmückt: William Ashley Sunday, Charles Edward Coughlin – insgesamt sechsundzwanzig. Murray war betroffen. Er hatte einmal – damals kannte er Georgina noch nicht – bei Smitty’s eine pornografische Kerze als Geburtstagsgeschenk für Papa gekauft, der solche Dinge sammelte. Georginas Leben war bestimmt von Penissen aus Paraffin, Scherzkissen, Hundedreck aus Latex und vorstehenden klappernden Scherzgebissen. Sie sprach oft davon, in Grundbesitz zu investieren. Die Stadt ändere sich, sie werde also die Augen offenhalten. Die Kasinos waren im Kommen. »Haben Sie eine Freundin?«
    »Ich hab bei Frauen nicht viel Erfolg«, gestand Murray.
    »Ich kenn das Gefühl.« Georgina stand auf, der Mond verschwand hinter ihrem schwangeren Leib. Sie war im siebten Moant, Murray im achten. »Ich war verrückt nach Laurie, wirklich scharf – aber, Jesus, alles so… so nicht-kosmisch. Ich meine, Punkt Sechs muß das Essen auf dem Tisch stehen, sonst geht die Welt unter.«
    Murray betrachtete ein Aimee Semple McPherson-Kondom.
    »Auf dem College hab ich mit ein paar Studentinnen geschlafen. Hauptfach Zahnhygiene. Und jetzt will ich ein Kind.«
    Georgina runzelte die Stirn. »Ein Kind? Sie wollen ein Kind? Sie?«
    »Sie denken, es ist falsch, ein Baby zu adoptieren, es bei mir aufzuziehen und so?«
    »Falsch? Falsch? Es ist großartig!«
    Murray wandte sich zur Turmtreppe. Gute alte Georgina. »Ich hab was in meiner Waschküche, was Sie interessieren wird.«
    »Ich hab schon Berge schmutziger Wäsche gesehen, Mur.«
    »Das haben Sie noch nicht gesehen.«
    Sie stiegen hinab.
    Von Glas umgeben, angeschlossen an diverse Flaschen, saß Murrays Fetus fest schlafend in seinem Behälter. Sah gar nicht aus wie ein werdendes Baby, eher wie eines der Spielzeuge, mit denen das Baby spielen würde, wenn es alt genug war.
    »Himmel, was ist das?«
    Das Licht der nackten Glühbirne wurde durch das glockenförmige Glas gebrochen, zeichnete sternförmige Flecken auf das Haupt des Fetus. Was für ein Gesicht, dachte Murray, dick und rotglühend wie eine reife Pflaume. »Wie sieht es aus?«
    »Wie ein gottverdammter Fetus!«
    »Richtig.« Murray klopfte an die Flasche, die sein Blut enthielt. Blut. »Mein Fetus.« Er hatte sich exakt an Marcus Bass’ Anweisungen gehalten, mehrere Male die Woche bei der Brigantine-Feuerwache Nr. 2 vorbeigeschaut und sich schließlich bei den drei Rettungsleuten – Rodney Balthazar, Herb Melchior, Freddie Caspar – soviel Vertrauen verschafft, daß sie ihm nicht nur ihre Transfusionsausrüstung liehen, sondern auch zu ihrer Pokerrunde einluden.
    »Weiblich.«
    »Aber wo haben Sie das her?« fragte Georgina.
    »Vom Institut.«
    »Und es lebt?«
    »Lebt und wächst. An dem Tag, als wir uns begegnet sind, hab ich’s gestohlen.« Die Sauerstoffpumpe gab beruhigend puffende Geräusche von sich. »Der Samen war von mir, kein Mensch weiß, wo das Ovum herkam. Inverse

Weitere Kostenlose Bücher